Persönlichkeitsstörungen
Wenn Beziehungen nicht gelingen
Persönlichkeitsstörungen sind nicht angeboren, sondern entstehen durch problematische Beziehungen in der Kindheit und Jugend, in denen zentrale Grundbedürfnisse nicht ausreichend erfüllt wurden. In solchen Beziehungen entstehen ungesunde, wenig hilfreiche Denkmuster sowohl über die eigene Person als auch über Beziehungen sowie langfristig ungünstige Bewältigungsstrategien. Dies macht auch deutlich, dass Persönlichkeitsstörungen als Interaktionsstörungen verstanden werden müssen. An diesem Grundsatz orientiert sich unser therapeutisches Vorgehen.
Problematische Bewältigungsstrategien dienten in der Vergangenheit dem Versuch, in Beziehungen eigene Bedürfnisse zu erfüllen. Sie stellen quasi „Lösungen“ für frühe Interaktionsprobleme in gestörten Beziehungen dar. Problematisch werden diese Strategien dadurch, dass sie später in gesunden Beziehungen nicht gut funktionieren. So kann ein Kind beispielsweise in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht haben, dass es für sehr gute Leistungen Zuwendung erhalten hat. Ein starkes Streben nach hohen Leistungen kann jedoch später in sozialen Beziehungen zu Schwierigkeiten führen oder durch Überforderung eine depressive Erkrankung begünstigen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie früh erlernte Lösungsstrategien zur Erfüllung eigener Bedürfnisse langfristig schädlich für sich selbst und die sozialen Beziehungen sein können.
Für die normale Persönlichkeitsentwicklung ist es zentral, dass in der Kindheit... [mehr lesen]
Allgemeine Merkmale von Persönlichkeitsstörungen
Eine Gemeinsamkeit aller Persönlichkeitsstörungen besteht in relativ stabilen und übergreifenden negativen Grundannahmen (auch Denkmuster oder Schemata genannt) über die eigene Person und über Beziehungen. In der Folge bemerken die Betroffenen häufig ein niedriges Selbstwertgefühl, sowie wiederkehrende Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen.
Jeder Mensch entwickelt im Laufe der Zeit einen gewissen Persönlichkeitsstil... [mehr lesen]
Raus aus problematischen Beziehungsstrategien
Persönlichkeitsstörungen können mit den Methoden der modernen kognitiven Verhaltenstherapie gut behandelt werden. Dabei ist es zunächst entscheidend, dass der Patient seine problematischen Denk- und Verhaltensmuster erkennen kann, um anschließend Schritte zur Veränderung einleiten zu können.
Ungesunde Denk- und Verhaltensmuster sind nicht für immer festgeschrieben. Mit Hilfe von... [mehr lesen]
Diagnose
Persönlichkeitszüge stellen überdauernde Muster des Wahrnehmens, der Beziehungsgestaltung und des Denkens über die Umwelt und über sich selbst dar. Sie kommen in sozialen und persönlichen Situationen zum Ausdruck. Nur dann, wenn Persönlichkeitszüge unflexibel und unangepasst sind und zu Funktionsbeeinträchtigungen (z. B. Arbeitsunfähigkeit) oder Leiden führen, bilden sie eine Persönlichkeitsstörung.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die führenden psychiatrischen Vereinigungen der USA und der europäischen Länder haben sehr genaue Klassifikationssysteme entwickelt, damit psychische Krankheiten präzise und zuverlässig erkannt werden.
Allgemeine diagnostische Kriterien nach DSM-5
a. Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Dieses Muster manifestiert sich in mindestens zwei der folgenden Bereiche:
- Kognition (d. h. die Art, sich selbst, andere Menschen und Ereignisse wahrzunehmen und zu interpretieren)
- Affektivität (d. h. die Variationsbreite, Intensität, Labilität und Angemessenheit emotionaler Reaktionen)
- Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen
- Impulskontrolle
- Das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich persönlicher Situationen.
b. Das überdauernde Muster führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
c. Das Muster ist stabil und lang andauernd, und sein Beginn ist mindestens bis in die Adoleszenz oder ins frühe Erwachsenenalter zurückzuverfolgen.
d. Das überdauernde Muster lässt sich nicht besser als Manifestation oder Folge einer anderen psychischen Störung erklären.
e. Das überdauernde Muster ist nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. Substanz mit Missbrauchspotenzial, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z. B. Hirnverletzung).
Häufigkeit und Komorbidität
Die geschätzte Prävalenz für eine beliebige Persönlichkeitsstörung liegt laut epidemiologischer Studien bei ca. 9,1 Prozent. Daten des National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions von 2001 bis 2002 legen nahe, dass ca. 15 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner an mindestens einer Persönlichkeitsstörung leiden. Es handelt sich somit insgesamt nicht um seltene Erkrankungsbilder.
Die Komorbidität, d. h. das parallele Auftreten von Persönlichkeitsstörungen und anderen psychischen Erkrankungen, ist hoch. Häufige komorbide Erkrankungen sind Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen und psychosomatische Beschwerden.
Verlauf
Die Merkmale einer Persönlichkeitsstörung treten gewöhnlich in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter auf. Die Persönlichkeitsstörung stellt definitionsgemäß ein überdauerndes Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens dar, das relativ stabil im Zeitverlauf ist. Unbehandelt ist daher i. d. R. mit einem langanhaltenden bis chronischen Verlauf der Symptomatik zu rechen. Einige Persönlichkeitsstörungstypen (z. B. die Borderline-Persönlichkeitsstörung) tendieren dahin, mit fortschreitendem Alter weniger offensichtlich zu sein oder sogar zu remittieren, während dies für andere Störungstypen weniger zutrifft (z. B. die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung).
Ein allgemeines Entstehungsmodell der Persönlichkeitsstörungen
Für die Entstehung einer Persönlichkeitsstörung spielen vermutlich immer mehrere Faktoren eine Rolle. Wichtige allgemeine Einflussfaktoren sind die genetische Veranlagung, biologische Faktoren, das Temperament, traumatische Erfahrungen, Erziehungsfaktoren, eine unzureichende Erfüllung kindlicher Grundbedürfnisse und Modelllernen von Bezugspersonen.
Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass einige Temperamentsfaktoren... [mehr lesen]
Therapie
Auch wenn Persönlichkeitsstörungen komplex erscheinen, mit zahlreichen sehr unterschiedlichen Symptomen und Folgeproblemen einhergehen und unbehandelt meist chronisch verlaufen ‒ eine erfolgreiche Therapie von Persönlichkeitsstörungen ist möglich. Mit Hilfe qualifizierter Psychotherapeuten, die in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen spezialisiert sind, kann auch bei schweren und bereits lang andauernden Erkrankungen ein dauerhafter Therapieerfolg erreicht werden. Das Intensivtherapiekonzept der Christoph-Dornier-Klinik bietet dabei einen optimalen Rahmen, um eigene ungünstige Schemata und Beziehungsmuster zu erkennen und zu verändern.
Behandlung von Persönlichkeitsstörungen in der Christoph-Dornier-Klinik
Bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen stehen zunächst die Klärung und Modifikation problematischer Denk- und Verhaltensweisen im Vordergrund, später auch die Ableitung und Einübung funktionalerer (interaktioneller) Verhaltensweisen. Unsere Behandlung orientiert sich dabei, neben bewährten klassischen verhaltenstherapeutischen Techniken, insbesondere an emotionsfokussierten Weiterentwicklungen der Verhaltenstherapie, wie der Schematherapie nach Jeffrey Young, der Klärungsorientierten Psychotherapie nach Rainer Sachse und im Falle der Borderline-Persönlichkeitsstörung an der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) nach Marsha Linehan.
Schematherapie nach Jeffrey Young
Die Schematherapie nach Jeffrey Young ist eine Weiterentwicklung des kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatzes. Jeffrey Young entwickelte die Schematherapie zunächst in erster Linie für solche Patienten, die in einer Behandlung mit klassischer kognitiver Verhaltenstherapie keine ausreichenden Therapieerfolge erlebten. Dies waren typischerweise Patienten mit interaktionellen Schwierigkeiten. Mittlerweile wird die Schematherapie erfolgreich für die Behandlung verschiedener Persönlichkeitsstörungen eingesetzt.
Die Schematherapie geht davon aus, dass Persönlichkeitsstörungen auf erworbenen problematischen... [mehr lesen]
Klärungsorientierte Psychotherapie nach Rainer Sachse
Die Klärungsorientierte Psychotherapie versteht Persönlichkeitsstörungen in erster Linie als Beziehungsstörungen. Sie geht davon aus, dass Persönlichkeitsstörungen auf normale psychologische Prozesse zurückgehen, die erst dadurch zum Problem werden, dass sie für den Betroffenen zu hohen Kosten führen und ihn dadurch selbst stören. Es wird angenommen, dass Persönlichkeitsstörungen als „Lösung“ für frühe Interaktionsprobleme entwickelt werden, wenn Kinder und Jugendliche schwierigen Beziehungs- und Interaktionssituationen mit ihren primären Bezugspersonen ausgesetzt waren.
Die klärungsorientierte Psychotherapie (KOP) ist eine psychologisch fundierte, empirisch validierte Psychotherapieform, die zwei Hauptaufgaben verfolgt. Eine Hauptaufgabe bezieht sich auf Klärung: Auf der Basis einer vom Therapeuten aktiv hergestellten vertrauensvollen Therapeut-Patienten-Beziehung werden zum einen aktuelle Motive des Patienten, zu denen dieser im Augenblick keinen ausreichenden Zugang hat, geklärt. Zum anderen gilt es problem-verursachende Schemata eines Patienten zu klären. Dabei wird angenommen, dass interaktionellen Problemen und Persönlichkeitsstörungen ungünstige Selbstschemata (z. B. “Ich bin nicht wichtig“) sowie ungünstige Beziehungsschemata (z. B. „In Beziehungen wird man im Stich gelassen“) zugrunde liegen.
Die zweite Hauptaufgabe der KOP besteht in der Schemamodifikation, also der therapeutischen Bearbeitung und Veränderung der problematischen Schemata. Ziel der KOP ist, dass der Patient im Alltag konstruktiver und flexibler handeln kann, weniger oder keine störenden „Symptome“ mehr aufweist, Alltagssituationen kognitiv und affektiv besser verarbeiten kann und selbstregulativer und zufriedener leben kann.
Dialektisch Behaviorale Therapie nach Marsha Linehan bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) wurde von Marsha Linehan speziell für die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt. Die Basis der DBT stellt die kognitive Verhaltenstherapie dar. Um jedoch den Anforderungen eines solch komplexen Störungsbildes gerecht zu werden, waren grundlegende Modifikationen notwendig. Die wesentlichsten Unterschiede zur herkömmlichen kognitiven Therapie sind die Betonung von Akzeptanz eines momentan auftretenden Verhaltens, die schwerpunktmäßige Behandlung von Verhaltensweisen, welche die Therapie oder die Patientin gefährden, und die Betonung der Wichtigkeit der therapeutischen Beziehung.