Patientenberichte
Berichte ehemaliger Patienten nach Krankheitsbildern
Angsterkrankungen
Weiblich, 29 Jahre, Diagnose: Soziale Phobie
Mir geht es nicht gut. Ständig fühle ich mich traurig und weiß nicht warum. Ständig stelle ich meine Entscheidungen und meine Handlungen in Frage. Habe ich alles richtig gemacht? Ich habe bestimmt einen Fehler gemacht. Die anderen halten mich jetzt für dumm.
Ich kann nichts richtig machen. Ich bin eine totale Versagerin. Am Besten sage ich gar nichts, dann kann ich auch nichts Falsches sagen.
Das waren Gedanken, die mich quälten. Ich habe mich nicht mehr getraut das Haus zu verlassen, es sei denn ich musste es, z. B. um zur Arbeit zu gehen. Auf der Arbeitsstelle ging der Kampf erst richtig los. Wie bringe ich mich durch den Tag? Ich darf keine Schwäche zeigen. Ich muss besonders viel leisten, damit die anderen mich mögen. Irgendetwas muss ich doch auch richtig machen.
Zu Hause wieder diese Gedanken. Ich habe versagt, ich habe dumme Fragen gestellt. ICH KANN NICHTS! Und so beginnt ein Teufelskreis, der sich immer enger zusammenzieht. Quälende Gedanken, Traurigkeit, für die es eigentlich gar keinen Grund gibt, Erschöpfung, ständiges Müde sein, zu gar nichts mehr Lust haben, das Gefühl, ich kann keine Freude mehr empfinden.
Und unbemerkt wurde es immer schlimmer. In regelmäßigen Abständen bin ich zusammengebrochen und zum Teil erst wieder im Krankenhaus aufgewacht. Doch niemand konnte mir sagen, was mir eigentlich fehlt. Ich habe meine eigenen Strategien entwickelt um meinen inneren Druck abzubauen. Diese äußerten sich in Ess-Brech-Anfällen und besonders in Selbstverletzungsattacken. Diese selbstschädigenden Methoden haben zwar gut funktioniert, aber leider immer nur kurzfristig. Die Probleme blieben.
Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass es so nicht weitergehen konnte. Es ging mir stetig schlechter. Aber es blieb die Frage: Was habe ich denn eigentlich? Hätte man mich gefragt, so hätte ich geantwortet: „Ich habe schwere Depressionen.“ Aber die Ursache konnte mir niemand sagen.
Also habe ich mich mit der CDK in Verbindung gesetzt und gleich einen Termin für die so genannten Diagnostiktage bekommen. Dort wurden nach ausführlichen Gesprächen dann verschiedene Diagnosen gestellt. Neurotische Depressionen, soziale Phobie und Panikattacken mit Agoraphobie (Vermeidungsverhalten). Als Ursache wurden komplexe posttraumatische Belastungsstörungen erkannt.
Zunächst dachte ich, dass dieses Feld an Komplexität kaum zu behandeln sei, doch die Therapeutin machte mir Mut, denn sie sagte mir, dass dies nichts Außergewöhnliches sei und die Behandlungschancen gut stünden.
Endlich ein Lichtblick. Nach Jahren hatte ich endlich das Gefühl, dass mir hier geholfen werden kann. Und so war es auch. Innerhalb von sechs Wochen die ich in der CDK in Behandlung war, hat sich mein Leben komplett geändert. Ich hatte meine eigene Bezugstherapeutin, mit der ich gemeinsam die Problemfelder angegangen bin. Es stellte sich in der ersten Woche heraus, dass der Schwerpunkt meiner Probleme in der sozialen Phobie lag. Dieses Krankheitsbild äußerte sich bei mir in der ständigen Angst von anderen Menschen negativ bewertet zu werden. Egal, was ich gemacht habe oder wie ich mich beispielsweise angezogen habe. Ich hatte ständig Angst negativ aufzufallen. Ich hatte sogar Angst auf die Straße zu gehen, denn selbst von völlig fremden Menschen habe ich mich negativ bewertet gefühlt und hatte ständig das Gefühl, dass alle Leute, denen ich begegnet bin, mich anstarren und irgendetwas Negatives über mich denken.
Daraus resultierten zwangsläufig die Depressionen, denn ich habe mich immer weiter zurückgezogen und war nicht in der Lage soziale Kontakte zu knüpfen oder aufrecht zu erhalten. Mein Selbstwertgefühl war auf dem Nullpunkt.
In der zweiten Woche haben wir uns dann Übungen überlegt. Diese Übungen bezogen sich darauf, Aufmerksamkeit zu produzieren. Z. B. musste ich in einem Kaufhaus Gegenstände aus dem Regal absichtlich runterwerfen. Anfangs war ich natürlich total angespannt und dachte nur, wie unsagbar peinlich das ist. Aber je öfter ich diese Übungen gemacht habe, desto lockerer wurde ich und musste feststellen, dass es noch nicht einmal jemandem großartig auffiel, was ich tat. In den täglichen einzeltherapeutischen Sitzungen wurden die Übungen besprochen. Wichtig dabei war es, dass ich selbst erkennen musste, dass meine Handlungen nicht falsch waren bzw. dass mich aufgrund meiner Handlungen niemand negativ bewertet hat. Ich fühlte mich von Tag zu Tag besser. Ich war wieder in der Lage mir den Tag positiv zu gestalten. In konnte in die Stadt gehen und Freude daran haben. Das war ein ganz neues Lebensgefühl.
Jetzt, da ich wieder zu Hause bin, ist es natürlich eine große Herausforderung, das Gelernte weiterhin umzusetzen, aber es gelingt mir erstaunlich gut.
Ich habe in den sechs Wochen Klinikaufenthalt an Selbstbewusstsein und Stärke gewonnen und bin heute in der Lage mein Leben meinen Bedürfnissen anzupassen und auch kleinere Krisen, die in jedem Leben auftreten, zu meistern.
Ich kann dem gesamten Team der CDK nur Danke sagen, denn mit ihrer Hilfe kann ich nach der Therapie überzeugt sagen: DAS LEBEN IST SCHÖN!
Weiblich, 23 Jahre, Diagnose: Soziale Phobie
Vor meiner Anreise hatte ich schreckliche Angst vor dem Unbekannten. Was wird mich wohl erwarten?
Nach meiner Ankunft folgte das erste Gespräch mit meiner Therapeutin, es beinhaltete allgemeine Fragen bezüglich meiner Vergangenheit bis hin zu meiner gegenwärtigen Lebenssituation. Anschließend zeichnete ich eine Darstellung von meiner Kindheit bis hin zur Gegenwart. Verschiedene Kurven stellen meinen Angstverlauf, meine Stimmung und meine Unsicherheiten dar. Das Bild verhilft mir verschiedene Auslöser von bestimmten Schwierigkeiten zu erkennen, ich begreife mein Verhalten besser und sehe Zusammenhänge, die mir zuvor nicht bewusst waren.
Das bildliche Darstellen meiner Angst in verschiedenen sozialen Situationen erleichtert es mir die Angst genauer zu betrachten. Ich bemerke unterschiedliche Stärken der Angst und erkenne den Zusammenhang zwischen Angstgefühlen und körperlichen Symptomen.
Das Auswerten verschiedener Fragebögen und die therapeutische Einschätzung ergibt die Diagnose: Soziale Phobie.
- Was ist soziale Phobie?
- Wo zeigt sich die Angst?
- Was geschieht in solchen Situationen?
- Kann ich daran überhaupt etwas ändern? Und wie?
Die Beantwortung dieser Fragen ermöglicht mir, mein Gefühl von Angst zu verstehen. Zu wissen, was ich fühle ist ein Schlüssel, da ich nun versuche das Gefühl (das oft durch meine Angst geprägt ist) in sozialen Situationen zu verändern. Ich hinterfrage meine Befürchtungen im sozialen Kontakt und erlerne neue Denkansätze, die meine Erwartungsangst weniger werden lassen. Ich beobachte meine Verhaltensweisen genauer und bemerke viele Dinge, die ich tue, um mich möglichst unauffällig zu verhalten (z.B. auf den Boden schauen). Leider führt dieses so genannte Sicherheitsverhalten eher dazu, dass ich meine Aufmerksamkeit nur auf mich richten kann und somit nicht fähig bin, anderen Menschen und der Umgebung Beachtung zu schenken. Des Weiteren wirke ich auf Andere eher auffällig. Nun versuche ich dieses Verhalten nach und nach abzubauen.
Der „Teufelskreis“ Angst veranschaulicht mir die Aufrechterhaltung der Angst und bietet mir Lösungsmöglichkeiten, ihn zu durchbrechen. Meine Therapeutin und ich erarbeiten eine Art „Angsthierarchie“ mit Dingen, die ich mir zutraue, und Situationen, die ich seit vielen Jahren meide. Dank der Aufzeichnungen können wir Übungen entwickeln, um zuvor vermiedene Kontakte erleben zu können (z.B. jemanden ansprechen, alleine in ein Café gehen...).
Diese „Experimente“ sind zu Anfang sehr schwierig, die Angst ist sehr hoch, da ich solche Situationen sonst immer vermieden habe. Häufiges Wiederholen lässt mich erkennen, dass die Angst weniger wird und ich weiß nun, dass ich mich darauf verlassen kann, dass sie irgendwann nachlässt - auch wenn es sehr lange dauern kann. Ohne diese Einsicht hätte ich mir Angst einflößende Dinge niemals zugetraut und sie weiterhin vermieden. Diese „Taktik der Vermeidung“ war für mich immer die einzige Möglichkeit der Angst zu entfliehen. Ansonsten hätte ich niemals gelernt, dass es mir möglich ist verschiedene soziale Situationen trotz eines hohen Angstgrades durchzustehen. Mittlerweile freue ich mich sogar auf Dinge und Unternehmungen, die mir jetzt wieder möglich geworden sind.
Die Erfolgserlebnisse, meine Angst aushalten zu können, verhelfen mir zu mehr Selbstwertgefühl und vermitteln mir ein hohes Maß an Sicherheit. Auch die Gruppentherapie bietet mir die Möglichkeit, mich meinen Ängsten zu stellen und neue Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen zu sammeln. Zu Hause hätte ich aus Angst niemals freiwillig an einer Gruppe teilgenommen. Während den Gruppentherapien war es sehr anstrengend, meine anhaltenden Angstgefühle zu spüren, und ich konnte erst nach ein paar Sitzungen feststellen, dass die Angst durch Gewöhnung nachlässt. Inzwischen bin ich fähig, meine Aufmerksamkeit von mir selbst weg auf das Gruppengeschehen zu richten.
Die Übungen in einer Gruppe helfen mir, mich im Alltag sozial kompetent zu verhalten und nehmen mir viel Unsicherheit. Inzwischen kann ich manche soziale Situationen sogar genießen, in die ich mich zu Beginn aus Angst niemals begeben hätte.
Ich habe gelernt, Selbstzweifel kritisch zu hinterfragen und andere Sichtweisen erlernt und mag mich nun viel lieber. Meine Stimmung hat sich deutlich gebessert und ich fühle mich sicherer im alltäglichen Leben. Dank meines sechswöchigen Aufenthaltes blicke ich nun optimistisch in die Zukunft und fühle mich gestärkt, schwierige Situationen auch alleine zu meistern. Endlich kann ich Verantwortung für mein eigenes Leben übernehmen! Herzlichen Dank an meine liebe Therapeutin.
Männlich, 29 Jahre, Diagnosen: Panikstörung mit Agoraphobie, Soziale Phobie
Vor ca. einem halben Jahr habe ich im Fernsehen zum ersten Mal von der Christoph-Dornier-Klinik für Psychotherapie gehört. Dieses sollte mein Leben, das zuvor von Panik- und Angstattacken bestimmt wurde, verändern.
Seit meinem 10. Lebensjahr leide ich unter Angstanfällen. Die Symptome: Atemnot, Herzrasen, Schwindelanfälle, Unwirklichkeitsgefühl, Hitze- und Kälteschauer.
Die Angst, gleich in Ohnmacht zu fallen und zu sterben war immer gegenwärtig und hat mein Leben bestimmt.
Zwischendurch nahm die Stärke der Attacken auch mal ab und einige Jahre habe ich sie völlig verdrängt.
Doch mit 26 Jahren kamen die Panikanfälle zurück und dazu noch viel intensiver. In der Firma, in der ich damals tätig war, bin ich durch immer mehr Fehlzeiten aufgefallen und auf die Arbeit konnte ich mich kaum noch konzentrieren. Da war fast nur noch die Angst im Kopf und ließ kaum noch Platz für konstruktive Gedankengänge. Mit 28 Jahren wollte ich mit dem Studium für Betriebswirtschaft beginnen, doch ich musste schon nach kurzer Zeit abbrechen. Die Angst hatte mich jetzt fest im Griff. Ich verließ mein Haus kaum noch. Ich hatte Angst vor der Angst. Zu Hause schien mir der einzig sichere Ort zu sein. Mein Leben war nun komplett von der Angst bestimmt.
Ich wurde drei Wochen stationär in der Christoph-Dornier-Klinik behandelt und bin mir nun - zwei Monate später - sicher sagen zu können: Die Angst hat mich nicht mehr im Griff, ich habe die Angst im Griff. Die wichtigste Erkenntnis für mich ist: Die Angst ist keine Fremde Macht, sondern ein Selbstgefühl. Sie entspringt ungeachtet aller äußeren Einflüsse aus mir selbst. Ich darf diese Angst deshalb auf keinen Fall verdrängen, sondern muss lernen, mich mit ihr auseinanderzusetzen, mit ihr richtig umzugehen.
Während der Behandlung habe ich mit meiner Therapeutin so ziemlich jede für mich angstauslösende Situation aufsuchen müssen. In meinem Fall waren dies z. B. Aufzüge, geschlossene Räume, hohe Gebäude, lange Bus- und Zugreisen. In diesen Situationen soll die Angst so stark wie nur möglich werden, und ich hatte diesmal dank meiner Therapeutin nicht die Möglichkeit davon zu laufen. Man muss sich der Angst stellen und am besten selber noch versuchen, sie in den eh schon angstauslösenden Situationen noch höher zu treiben. Ich habe dann schnell festgestellt, dass man doch nicht, wie vorher erwartet, sterben muss - im Gegenteil. Wenn man sich der Angst stellt, verschwindet sie genau so schnell, wie sie gekommen ist. Die Paniksituationen, die man zuvor mit dem Therapeuten aufgesucht hat, müssen dann im späteren Verlauf der Behandlung allein aufgesucht werden.
Dieser Weg ist sicher nicht einfach. Er erfordert ein Höchstmaß an Selbstdisziplin. Man muss einfach auch nach der Behandlung immer wieder angstauslösende Situationen aufsuchen, um zu lernen, mit der Angst zu arbeiten wie mit jedem anderem Selbstgefühlsproblem auch.
Die Therapie in der Christoph-Dornier-Klinik ist eine Methode, dauerhaft die Panik in den Griff zu bekommen und sicher die schnellste. Heute gehört mein Leben wieder mir und ich kann beruflich wie auch privat ein normales Leben führen.
Weiblich, 20 Jahre, Diagnose: Agoraphobie mit Panikstörung
Bis vor drei Jahren verlief mein Leben normal. Ich ging in die Jahrgangsstufe 13 des Gymnasiums, hatte gute Noten und wollte nach meinem Abitur schon immer Medizin studieren. Doch dann kam die Angst mir dazwischen.
Alles fing an, nachdem innerhalb von drei Monaten zwei meiner Freunde tödlich verunglückten, meine Oma, an der ich sehr hing, plötzlich starb und ich selber eine Herzmuskelentzündung hatte und drei Wochen im Krankenhaus lag. Vor diesen Ereignissen hatte ich mir nie Gedanken über den Tod gemacht, doch plötzlich war er allgegenwärtig.
Zuerst beschränkte meine Angst sich auf bestimmte Situationen. Ich konnte nicht mehr in den Urlaub fliegen. Zudem hatte ich Angst vor geschlossenen Räumen, in denen ich allein bin, weil ich immer dachte, wenn ich jetzt sterben würde, fände mich niemand. Diese Situationen habe ich dann vermieden, aus Angst vor der Angst. Leider wurden die Situationen immer mehr, so dass ich irgendwann nichts mehr machen konnte.
Ich konnte meine Wohnung nicht mehr alleine verlassen, weil sofort die Panik da war, konnte aber auch nicht allein zu Hause sein, weil ich mich dort auch nicht sicher fühlte.
Überall hatte ich Angst, nicht mehr weglaufen zu können, wenn mir schlecht würde, und mein Leben bestand nur noch aus der Flucht vor der Angst. Meine begonnene Ausbildung als Kinderkrankenschwester musste ich nach der Probezeit abbrechen und konnte nichts mehr machen. Durch meine ambulante Therapeutin habe ich dann von der Christoph-Dornier-Klinik erfahren. Ich wusste, dass ich dort mit meiner Angst konfrontiert würde, sah es aber trotzdem als meine einzige Chance an.
An dem Tag, an dem ich in die Klinik ging, habe ich einen Entschluss gefasst: Wenn die Angst mich umbringen wird, dann soll sie das jetzt bitte tun.
Ich hatte es satt, wegzulaufen, wollte mich jetzt stellen. Eigentlich war ich davon überzeugt, die vier Wochen Therapie nicht zu überleben.
Während dieser Zeit machte ich jedoch andere Erfahrungen. Anfangs war ich geschockt, weil meine Therapeutin nicht meine Verbündete zu sein schien, sondern diejenige, die mich noch mehr in den Wahnsinn trieb. Wir suchten alle Situtationen auf, die ich zuvor vermieden hatte. Jedes Mal verstärkte sie meine Angst, und ab dem zweiten Tag ließ sie mich auch alleine mit ihr. Wir flogen Flugzeug, fuhren Zug, gingen einkaufen, essen, waren bei mir zu Hause und mit der Zeit liebte ich meine Übungen, weil ich die Erfahrung machte, dass die Angst mich nicht umbringt, sondern irgendwann weggeht, wenn ich sie nur zulasse.
Diese Erlebnisse waren für mich wie ein Kick, besser als alles andere. Der Moment, in dem die Angst nachlässt, ist noch immer der Beste überhaupt.
Hinterher wurde meine Therapeutin doch zu meiner Verbündeten, weil wir beide merkten, dass die Therapie klappt. Es hätte nie funktioniert, wenn sie mich nicht so herrlich provoziert hätte. Am Anfang musste ich ihr einen Vertrag unterschreiben, in dem stand, dass ich ihr die Kontrolle in den Übungen überlasse. Schon deshalb wäre ich nie auf die Idee gekommen, wegzurennen, ich habe jede Übung mitgemacht und mich jedes Mal gefreut, wenn die Angst wegging.
Heute zwei Monate nach der Klinik, kann ich sagen, dass die Angst zwar noch gegenwärtig ist mich aber nicht mehr beherrscht. Es gibt etliche Situationen, die für mich schwierig sind, weil ich mir Gedanken über Dinge mache, auf die andere Leute niemals kommen würden. Der Unterschied zu vorher ist, dass ich gezielt diese Situationen aufsuche, in denen die Angst kommt, und sie nicht mehr vermeide. Weil ich weiß, nur so bin ich vielleicht irgendwann mal ohne Angst.
Es ist zwar noch ein weiter Weg, aber ohne meinen Aufenthalt in der Christoph-Dornier-Klinik wäre ich sicherlich noch immer auf der Flucht.
Weiblich, 22 Jahre, Diagnose: Paruresis
Toilettengänge waren vor meiner Zeit in der Christoph-Dornier-Klinik der absolute Horror für mich. Lange Zeit habe ich öffentliche Toiletten vermieden und dachte, dass ich niemals aus diesem Teufelskreis herauskommen werde – Falsch gedacht. Durch Recherchen im Internet bin ich auf die CDK gestoßen und war sofort von dem intensiven Behandlungskonzept begeistert und dass es die einzige Klinik ist, die Paruresis wirklich schon oft behandelt hat. Die erste Woche meines sechswöchigen Aufenthalts war gekennzeichnet durch das Kennenlernen von Therapeut und Patient, sowie Diagnostikgespräche und einer ersten „Bestandsaufnahme“.
Dann ging es auch schon zügig ans Arbeiten. Meine Therapeutin und ich erstellten eine erste Schwierigkeitshierarchie für die Übungen und arbeiteten an der "Paruresis im Kopf".
Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse ist wohl, dass sich die Paruresis nur im Kopf abspielt und meine Bewertungen einer Situation ausschlaggebend sind.
Am Ende der zweiten Woche ging es dann auch schon an die Übungen, angefangen mit einer Blockierübung im Café, die zuerst einmal sehr unangenehm war, aber für den Anfang sehr hilfreich. Die Urinationsübungen begannen zuerst auf meinem Patientenzimmer, dann auf der Kellertoilette bis hin zur Ambulanztoilette und von Übung zu Übung merkt man, dass die Anspannung immer weiter abnimmt. Meine Therapeutin hat mir immer die Entscheidung überlassen welche Übung ich in der jeweiligen Stunde machen möchte und hat mich zu keiner Zeit überrumpelt.
Durch das tägliche Üben wird man in den Situationen immer sicherer und es ist schon fast der Regelfall, dass die Urination erfolgt. In den letzten zweieinhalb Wochen ging es dann ans Eingemachte.
Die Übungen draußen (Uni, Kaufhaus, Museum etc.) waren zuerst wirklich eine Überwindung, aber ich kann mit Überzeugung sagen, dass man sich alle Toiletten zurückerkämpfen kann!
Und selbst wenn die Urination einmal nicht erfolgt, ist die Übung trotzdem ein Erfolg, denn man hat sich der Situation gestellt! Wenn man wirklich bereit ist, die Paruresis zu bekämpfen, dann ist die Christoph-Dornier-Klinik die beste Entscheidung um sich seine Lebensqualität wieder zu erkämpfen.
Weiblich, Diagnose: Paruresis
Kurz vor meinem Klinikaufenthalt hätte ich fast noch einen Rückzieher gemacht. Die mir bisher bekannte Vorstellung eines Klinikaufenthalts in einer psychotherapeutischen Klinik war eher mit Unbehagen und unangenehmen Vorstellungen verbunden.
Diese Vorstellung bewahrheitete sich glücklicherweise überhaupt nicht. Die Klinik an sich, also die Räumlichkeit, wirkte weder steril noch krankenhaustypisch, auch sämtliche Beschäftigte vermittelten nicht den typischen Eindruck eines Klinikpersonals. Die zentrale Lage im Stadtkern bietet außerdem viele Möglichkeiten. Bei der Verpflegung erinnerte ich mich eher an eine gute Hotelküche, das routinierte Küchenpersonal verwöhnte die Patienten immer wieder mit leckeren abwechslungsreichen Gerichten. Diese Gegebenheiten überraschten mich positiv, und ich empfand es daher als sehr angenehm. Das erleichterte den Therapieeinstieg.
Die erste Woche diente der Orientierung und Eingewöhnung. Sie war geprägt von Gesprächen über meine Problematik und ein gegenseitiges Kennenlernen von Patient und Therapeutin. Die vielen Gespräche, vor allem die vielen Fragen, waren ungewohnt für mich, verwirrten und verunsicherten mich teilweise. Aber diese Gefühl legte sich allmählich, bzw. ich gewöhnte mich mehr und mehr an die Situation. Ich kannte solche Gespräche in dieser Form bisher ja überhaupt nicht. Entsprechend zurückhaltend und vorsichtig war ich in meiner Reaktion und meinen Antworten.
In der zweiten Woche begann ich bereits mit Übungen, das beunruhigte mich im Vorfeld schon ziemlich, und ich hatte richtig Bammel davor. Entsprechend schwierig gestalteten sich auch die ersten praktischen Übungen, obwohl ich sie in meiner „Schwierigkeitsliste“ als vermeintlich leicht eingestuft hatte.
Es stellte sich dabei heraus, was ich bis dahin gar nicht bewusst wahrnehmen konnte, dass Nähe von anderen Personen für mich sehr, sehr störend war.
Die Übungen dazu im Haus im Keller-WC waren meist sehr anstrengend und unangenehm. Verbesserungen bzw. Steigerungen waren anfangs nur in ganz kleinen Schritten möglich. Ich sah meine Felle davon schwimmen bezüglich der „Abarbeitung meiner Schwierigkeitsliste“ - ich meinte zu diesem Zeitpunkt, ich käme nie an mein Ziel, alles wäre umsonst und reine Zeitverschwendung!
Auch zu Beginn der darauffolgenden Woche begann die Woche holprig, was die Übungen betraf. Zur Wochenmitte verbesserte sich die Situation. Ich erkannte, dass meine Therapeutin weiß, was sie tut und meines Erachtens fachlich über ein sehr breites Wissen verfügt. Zudem arbeitet sie mit ähnlichen Methoden wie im Buch von Philipp Hammelstein („Lass es laufen!“) beschrieben. Das beruhigte mich sehr. Was natürlich von daher für das Vertrauen zu meiner Therapeutin sehr hilfreich bzw. sogar sehr wichtig war.
In der 4. Woche erlebte ich noch mal einen Rückschlag, was die Übungen bezüglich der Geräusche (also meiner hörbaren Geräusche) betrifft; ich habe die Situation in Anwesenheit meiner Therapeutin (ohne weiteren Personen und ohne Nebengeräusche – Turnhalle Unigebäude) Wasser zu lassen geschafft, ich fühlte mich aber trotzdem erniedrigt und bloß gestellt. Ich wollte nie so viel von mir preisgeben; das habe ich doch bisher immer vermieden. Wir haben danach während der Woche wieder an den anderen noch zu übenden Aufgaben gearbeitet. Meine Therapeutin wollte es mir überlassen, wie weit ich meine Grenzen überschreiten könne und wollte. In der fünften und letzten Woche des stationären Aufenthalts musste ich mich entscheiden, wie weit ich meine in der Schwierigkeitsliste gesetzten Ziele erreichen will und kann.
Dazu musste ich meinen letzten Grenzbereich überschreiten und ertragen bzw. zulassen, dass andere bzw. meine Therapeutin meine Geräusche beim Wasserlassen hören. Der erste Übungstag (WC-Anlage bei der Uni am Schloss) war schwierig, die Situation, vor allem die erste Übung (mit Musik auf mitgebrachtem Laptop), erinnerte mich an eine Übungssituation vergangener Woche (Uni-Turnhalle) - die Situation war wieder erniedrigend, aber diese Gefühle waren nicht mehr ganz so stark wie damals.
Es gab aber auch eine ziemlich witzige Situation, wo anscheinend im Unigebäude Vorlesungspause war und einige Frauen in die Toilettenanlage stürmten. Wir hatten den Laptop dabei, die Musik lief (Meine Therapeutin war mit dem musikspielenden Laptop in der Kabine und machte zwangsläufig eine „Blockierübung“), und irgendwie war das für mich doch ziemlich komisch. Ich verließ derweil meine Kabine und betrachtete dieses doch etwas ungewöhnlich schräge Ereignis. Ähnliche Übungen in den folgenden Tagen waren für mich ein Stück leichter zu bewältigen, da die Anspannung immer mehr nachließ, obwohl es immer noch unangenehm war. Allmählich machte ich mir immer weniger Gedanken über irgendetwas, und das Wasserlassen war kein außergewöhnliches Ereignis mehr.
Es ist wirklich schier unglaublich, was in „nur“ 5 Wochen in Sachen Paruresis tatsächlich verändert werden kann. Ich hätte das vorher nie zu träumen gewagt.
Der Großteil der Übungen läuft inzwischen ohne größere Probleme ab, meistens klappen die Übungen. Immer seltener gelingen geplante Aktionen nicht. Das ist ein großer Fortschritt, wer hätte das gedacht. Was mir inzwischen jetzt schon bewusst wurde, ist die Erkenntnis, dass ich die Erfahrungen, die ich hier machte, nicht mehr missen möchte, obwohl die Übungen größtenteils sehr schwierig und unangenehm sowie auch belastend waren. Es war teilweise auch eine Qual, weil ich meine persönlichen (ganz intimen) Grenzen überschreiten musste. Meine Therapeutin überforderte bzw. überrumpelte mich jedoch nie. Sie war immer darauf bedacht, behutsam und in kleinen Schritten voran zu gehen.
Ich denke, meine Lebensqualität bzw. auch meine Lebensfreude und mein Selbstwertgefühl haben sich aufgrund der positiven Lernerfahrungen deutlich verbessert. Ich fühle mich wesentlich freier und ungebundener als früher, als ich immer auf die „Launen meiner Blase“ (natürlich spielt sich die Paruresis im Kopf ab, aber früher war mir das nicht so bewusst) achten musste.
Weiblich, 20 Jahre. Diagnose: Panikstörung mit Agoraphobie
"Du musst doch vor nichts Angst haben. Dir passiert nichts- versprochen!"
Solche Worte habe ich eine Zeitlang sehr häufig gehört und zwar in Situationen voll von Angst.
Wie aus heiterem Himmel war meine Kehle wie zugeschnürt, mein Kopf leer, meine Körper taub und ich sicher, jeden Moment durchzudrehen oder zu sterben.
Mittlerweile kann ich diese Situationen als Panikattacken definieren, doch damals bedeutete dieser Überfall meines Körpers einen Kampf um Leben und Tod für mich.
Die tröstenden Worte meiner Mitmenschen haben mir nie geholfen, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber trotzdem habe ich mir immer eine Person gewünscht, die mir Sicherheit gibt und sagt, dass ich nicht sterbe, sondern noch 90 Jahre alt werde.
Eine Weile habe ich einen Gesprächstherapeuten für den Retter in der Not oder den „Beantworter aller Fragen“ gehalten, doch schnell stellte sich heraus, daß es bei ihm um eine Massenabfertigung ging und kein Platz für individuelle Fragen war. Da stand ich also. Und wer sollte mir nun Sicherheit geben? Meine Familie, Freunde konnten es nicht- „Ihr wollt mich doch nur beruhigen und habt gar keine Ahnung davon, was mit mir los ist!“ Also habe ich versucht, die Fragen zu verdrängen. Zunächst mit Johanniskraut- und Baldrianpräparaten, aber die haben mir nicht geholfen. Folglich habe ich zu den härteren Mitteln gegriffen. Und was war? Innerhalb von zwei Minuten war ich von 180 auf 0. Und am nächsten Tag? Da war die Angst wieder da.
Was sollte ich denn tun? Wer oder was konnte mir helfen? Vielleicht ein Urlaub! Also ging es nach Mallorca. Im Flugzeug kam die Angst wieder. Sie war so stark, dass der gesamte Urlaub verdorben war und ich die schrecklichste Rückfahrt aus Mallorca erlebt habe, die man sich überhaupt vorstellen kann: 32 Stunden mit Fähre, (Schlaf-) Zug und Auto. 32 Stunden, die geprägt waren von einem Auf und Ab an Angst, die einfach nicht enden wollte. Spätestens in diesen Stunden ist mir klar geworden: So will ich nicht mehr weitermachen!
Ich habe nur noch im Bett gelegen und möglichst viel geschlafen, um meinen Körper zu schonen und hatte nur noch wenige Kontakte, weil mich ja doch niemand verstanden hat.
Dann kam die Lösung: Die C-D-K in Münster! Ich habe die Tage bis zur Aufnahme dort gezählt. Aber so schön war es dann doch nicht!
Jeden Tag habe ich mich mit meiner Angst auseinandergesetzt. Ich durfte sie weder durch Tabletten auslöschen, noch durch Ablenkung verschwinden lassen. Ich musste in der Angst bleiben, sie konfrontieren und ertragen. Ich habe die Angst auf der Autobahn, im Wald, auf hohen Türmen, alleine in meinem Zimmer, im Flugzeug und auf dem Friedhof getroffen und ich habe ihr ins Gesicht gesehen und gesagt: „Komm schon! Zeig mir, was du kannst!“ Und das hat sie, aber richtig. Anfangs wollte ich das nicht. Ich wollte mich nicht jeden Tag schlecht fühlen. Mir hat der absolute Erfolg gefehlt, wodurch ich meine kleinen Fortschritte gar nicht bemerkt habe.
Doch irgendwo in mir gab es noch einen Kampfgeist, der mit der Zeit stark gewachsen ist. Plötzlich konnte ich stolz auf mich sein, habe Erfolge gesehen und konnte mich über Dinge wie Eis essen, Freunde treffen und schönes Wetter wieder freuen (das klappt im wunderschönen Münster ohnehin sehr gut!)
Nach drei Wochen Klinikaufenthalt war ich sicher nicht gesund, aber glücklich zu wissen, dass Panikattacken mich nicht umbringen.
Außerdem habe ich meinen Weg gefunden, mit der Angst umzugehen. Wenn ich sie heute spüre, spreche ich mit ihr und sage: “Na Angst, ist dir mal wieder langweilig? Wenn du nichts besseres zu tun hast, dann zeig mal, was du drauf hast. Ich meinerseits werde dir zeigen, was ich alles kann und wie stark ich bin!“
Bisher habe ich jedes Mal gesiegt...
Zwar gibt mir noch immer niemand die Sicherheit, ob ich heute, morgen oder mit 90 sterbe, aber bis es so weit ist, genieße ich mein Leben. Es steckt nämlich voller Freude und Sonnenschein- man muss es nur erst entdecken!
Depressionen
Weiblich, 35 Jahre, Diagnose: Depression
Ankunft in Münster: Ich war ein wenig hoffnungsvoll, zugleich aber skeptisch und ängstlich.
Jetzt ging es mir schon so lange so schlecht und dieser Klinik-Aufenthalt sollte alles ändern? Mein Lebensgefährte verabschiedete mich und ich saß auf meinem zugegebenermaßen sehr schönem Zimmer und weinte mir die Augen aus dem Kopf. Meine letzte Chance, an die ich selber nicht so recht glauben mochte, aber für mich der letzte Ausweg aus meiner Situation.
So kam ich an, sehr depressiv, mit einem Selbstmordversuch hinter mir und voller Verachtung für mich selbst.
Ich war immer die Starke gewesen und auf einmal ging gar nichts mehr. Ein Jahr ging das schon so und ich habe immer gedacht, dass ich das irgendwie schaffe – und jetzt das offizielle Eingeständnis, dass ich es nicht (zumindest nicht alleine) schaffe. Jahre voller Leid lagen hinter mir – ich habe mich immer wieder aus diesem Sumpf herausgezogen und jetzt ging gar nichts mehr: Selbstaufgabe, Selbstzerstörung, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, absolutes Ausgeliefert-Sein.
Auf mein eigenes Schicksal möchte ich gar nicht konkret eingehen – jeder hat seine eigene Geschichte - die eine ist so schmerzhaft wie die andere.
Nur so viel: Ich hatte viel mit Gewalt – sowie körperlicher als auch psychischer Gewalt - zu tun; ich bin jahrelang ein beliebtes Opfer gewesen.
Im Februar 2001 kam es zum Erstdiagnostik-Gespräch: Mir wurde klar, wie krank ich eigentlich bin, oder überhaupt, dass ich krank bin. Vorher lief das alles unter dem Motto: "Stell dich nicht so an!" oder "Reiß dich zusammen!" ich habe mich selber so unter Druck gesetzt, dass ich der Meinung war, ich wäre an allem selber Schuld und ich hätte die Misere verhindern können.
Auslöser war ein Überfall auf offener Straße – mein Hund hat mich gerettet – der das alles wieder zum Vorschein brachte. Ich war vergewaltigt worden, als ich ca. 20 Jahre alt war – und jetzt war alles wieder da!
Ich bin in dieser Klinik individuell betreut worden – jeder, der meint, das wäre Urlaub, den muss ich enttäuschen – es war furchtbar anstrengend (4 Std. Einzeltherapie pro Tag und noch einiges andere mehr). Viele Dinge wurden angesprochen, die sehr schmerzhaft für mich sind, aber ich lernte Tag für Tag mit meinem Leben besser umzugehen. Ich wurde gezwungen, Dinge, die mir früher Spaß gemacht haben, wieder auszuüben. Das ist mir sehr schwer gefallen, weil ich eigentlich nur noch im Bett liegen und meine Ruhe haben wollte (der Magnet unter dem Bett). Typisch für Depression, nichts mehr geregelt zu bekommen.
Meine Vergangenheit wurde ausführlich angesprochen, aber nicht gemäß dem tiefenpsychologischem Ansatz, sondern nach dem Motto, hier und jetzt mit der Lebenssituation und auch mit der nicht mehr veränderlichen Vergangenheit umgehen und leben zu können.
Ich bin in die Hände einer sehr jungen (anfänglich war ich skeptisch, ob mir eine so junge Person helfen kann), aber überaus einfühlsamen und kompetenten Therapeutin, Frau Kirsten Hugendubel, geraten. Von Tag zu Tag schöpfte ich mehr Hoffnung, doch noch einen Weg aus dieser Krankheit, die ich als solche erst einmal erkennen und akzeptieren musste, zu finden.
Jeder Tag war ein kleiner Fortschritt, auch mit viel Tränen und Kummer verbunden, aber es ging vorwärts – nach so langer Zeit endlich mal wieder vorwärts!!! Ganz langsam bekam ich wieder Spaß am Leben und das Schicksal meiner Mitpatienten, die ich in der Klink und in der Gruppentherapie kennen lernte, tröstete mich. Es gab Menschen, denen es schon viel besser ging als mir (später war das mit neuen Patienten umgekehrt - denen habe ich Hoffnung machen können) und so wuchs in mir die Hoffnung, aus dieser ausweglosen Situation doch noch herauskommen zu können.
Vieles brach aus mir während der langen Gespräche heraus, Dinge, die lang verschüttet waren und vor allem die Erkenntnis, wie schlecht ich eigentlich mit mir selber umgehe (wenn so ein Verhalten von meiner besten Freundin ausgegangen wäre, wäre diese Freundschaft schon zu Ende). Heute versuche ich mir selbst meine eigene beste Freundin zu sein und mich auch so zu behandeln.
Jeden Tag ein Eigenlob (depressive Menschen werden nicht mehr gelobt, weil die Leistung nicht gesehen und anerkannt wird), positiver Aktivitätenaufbau und das Lernen neuer Verhaltensweisen (früher war das sicherlich o.k., heute aber vielleicht nur noch schädlich) – das war und ist der Weg aus dieser Krankheit.
Unterstützt wurde das Ganze natürlich auch medikamentös, mit reinen Anti-Depressiva und nichts, was in irgendeiner Weise abhängig machen könnte, das war mir sehr wichtig. Ich bin nicht betäubt oder ruhig gestellt worden – an meinen Problemen hätte das auch herzlich wenig geändert. Einmal wöchentlich wurde ich zur Visite bestellt bei dem ärztlichen Leiter der Klinik, Herrn Dr. Pawelzik, der mir wertvolle Tipps mitgegeben hat und mich zum Teil so provoziert hat, dass ich mein eigenes Fehlverhalten einfach erkennen musste. Auch hier habe ich immer wieder eigenverantwortlich meine Entscheidungen bezüglich der Medikamente treffen können.
Zum Ende des Klinikaufenthaltes konnte ich endlich wieder lachen, sah wieder einen Sinn in meinem Leben, konnte wieder Aufgaben übernehmen (nur langsam, jeden Tag ein bisschen mehr und nicht mehr den Absolutheitsanspruch an sich selber), hatte wieder Mut, mein Leben, auch mit all seinen Problemen, anzunehmen, wurde gelassener und hatte mich selber wieder lieb.
Auch die Rückfallgefahr ist mir wohl bekannt. Aber im Gegensatz zu früher, wo ich der Krankheit ausgeliefert war, habe ich jetzt Werkzeuge in der Hand, um auch mit seelischen Tiefs oder auch Rückfällen umgehen zu können. Wenn ich das trotz alledem nicht schaffen sollte, hätte ich heute keinerlei Hemmungen mehr, jederzeit wieder in die Christoph-Dornier-Klinik zu gehen, um mir helfen zu lassen – bei einem Beinbruch würde ich das schließlich auch tun.
Betonen möchte ich noch, dass ich von Seiten der Klinik weitere sechs Wochen telefonisch betreut wurde, bis ich eine geeignete, ambulante Therapeutin gefunden hatte.
Ich möchte Ihnen, soweit Sie denn an einer psychischen Krankheit erkrankt sind, ans Herz legen, sich Hilfe zu suchen, nicht zu verzweifeln, sondern den Mut zu fassen, sich adäquate Unterstützung zu holen. Eine psychische Erkrankung ist mindestens genauso schlimm und lebensbedrohlich, wie eine körperliche, aber man sieht sie rein äußerlich nicht – trotzdem: fassen Sie den Mut und lernen Sie mit dieser Krankheit umzugehen!!!!
Zum Schluss: Tiefsten Dank an meine Therapeutin und die Klinikleitung, die mir ermöglicht haben, unter menschenwürdigen und eigenverantwortlichen Umständen kompetent und adäquat behandelt und gesund zu werden.
Männlich, 50 Jahre, Diagnose: Depression
Als ich am Ostermontag 2000 in der Christoph-Dornier-Klinik (in Zukunft abgekürzt CDK) in Münster eintraf, hatte ich das Schlimmste eigentlich schon hinter mir. Denn der Entschluß, in die Klinik zu gehen, war - im Nachhinein betrachtet - der erste Schritt auf dem Weg aus der Depression.
Hinter mir lagen die wohl schlimmsten Wochen meines Lebens, Wochen, in denen ich fast überhaupt nicht aus dem Bett kam, Wochen, in denen ich, um meine innere Unruhe zu bekämpfen, nahezu unaufhörlich trank, Wochen der Lähmung, der Niedergeschlagenheit, Wochen, in denen Tränen, Zynismus und Gedanken an Selbstmord eine unheilvolle Melange eingingen.
Rückblick:
Der Tag eines Depressiven
Eigentlich ist ein Tag in der Depression kaum von einem anderen Tag zu unterscheiden. Er verläuft genau so wie der vorherige, und der Tag morgen wird genau so sein wie der heutige. So war das jedenfalls bei mir.
Ein typischer Tag begann damit, daß ich morgens gegen 2 oder 3 Uhr nach unruhigem Schlaf voller Alpträume aufwachte und nicht mehr einschlafen konnte. Ich fühlte mich rastlos, getrieben, ohne zu wissen, wovon - vielleicht von meinen Träumen, vielleicht von Worten, Bruchstücken von Erlebnissen, Gedankenfetzen, die, ohne daß ich ihnen Einhalt hätte gebieten können, in meinem Kopf herumwirbelten.
Die einzige Abhilfe gegen das Gefühl, verrückt zu werden, bestand darin, ein Bier zu trinken. Manchmal konnte ich dann wieder schlafen. Spätestens um 7 Uhr in der Frühe war ich aber wieder wach. Es wiederholte sich die gleiche Prozedur, und so ging das den ganzen Tag weiter. Zwischendurch reichte dann mitunter die Energie, um die Zeitung zu lesen oder ein paar Seiten in einem Buch, zu mehr aber auch nicht.
An Arbeiten, an Berufstätigkeit war natürlich überhaupt nicht zu denken. Und so schlich der Tag voran: Dämmern, nichts tun, Unruhe, Bier trinken, dämmern, nichts tun, Unruhe, Bier trinken ... Irgendwann war es dann Abend, und geschehen war nichts.
Nichts von dem, an dem ich früher Interesse hatte, hatte mich an diesem Tag auch nur im geringsten gereizt, sei dies nun Musik oder Schach oder Computerei. Meine Lektüre bestand - abgesehen von der Zeitung - ausschließlich aus Fluchtliteratur: Romane, die garantiert nichts mit meiner Lebenswirklichkeit zu tun hatten, sondern geographisch und/oder zeitlich möglichst weit entfernt spielten. An ein Verlassen des Hauses war überhaupt nicht zu denken - nicht einmal für Minuten. Irgendwann um 10 oder 11 Uhr abends schlief ich dann wieder ein, und in der Nacht gegen 2 oder 3 begann der Kreislauf von vorne.
Wie sich die Depression entwickelt:
Wenn ich im letzten Abschnitt den Tag eines Depressiven so geschildert habe, daß er einem anderen Tag zum Verwechseln ähnelt, so ist das richtig und falsch zugleich. Bei mir war es so, daß das, was ich an Phänomenen im Tagesablauf beschrieben habe, sich zuerst langsam, schleichend einstellte und sich dann im Laufe einiger Wochen verfestigte. Das heißt: Ging ich zu Beginn hier und dort noch aus dem Haus, ganz zu Anfang sogar noch zur Arbeit, bestand der Alkoholkonsum aus einigen abendlichen Bieren, so blieb ich irgendwann ganz zu Hause und schließlich im Bett, und parallel dazu stieg die Zahl der Biere, die ich trank, meine Niedergeschlagenheit wuchs, das Nichtstun breitete sich aus.
Ich gestaltete meine Tage nicht mehr, sie verstrichen. Mein innerer Zustand verschlechterte sich kontinuierlich: Ich betrachtete die Welt dort draußen und mich selbst hier drinnen mit immer böseren, schwärzeren Blicken, alles und jedes war mir Anlaß zu zynischen Betrachtungen. Diese Entwicklung kulminierte schließlich in 2 oder 3 Tagen, in denen ich dem Selbstmord ziemlich nah war.
Ich erinnere mich an eine Szene, in der mich meine Freundin aus der Stadt anrief und mich fragte, ob sie mir etwas mitbringen könne. Darauf sagte ich nicht ganz gescheit: "Ja, eine Pistole." Und ich bin sicher: Hätte ich an diesem Tag eine Pistole gehabt, es wäre geschehen.
An irgendeinem Punkt in dieser Abwärtsspirale muß ich dann doch gespürt haben, daß es so nicht weiter gehen konnte. Vielleicht trug dazu auch ein Ausbruch meiner Freundin bei, die mich eines Tages völlig außer sich anschrie, sie wolle, daß das aufhöre. (Erst da wurde mir ansatzweise bewußt, was Depressive ihren Mitmenschen antun: Sie sind nicht nur niedergeschlagen, sie schlagen auch andere nieder.) Ganz sicher trug dazu bei, daß mir meine Freundin - wohl ohne große Hoffnung - einige Prospekte der CDK vors Bett legte und dann zur Arbeit verschwand. Eine Stunde später rief ich sie an und sagte: "Das mach ich, da fahr' ich hin." Warum ich zu diesem Entschluß kam, dazu später mehr.
Warum gerade ich? Oder: Wie wird man depressiv?
Ich denke, daß die meisten Menschen, die mich kennen, bei der Nachricht, daß ich wegen einer Depression in der Klinik war, eher überrascht waren. Ich bin, so wurde mir gesagt, das, was man einen "handsome guy" nennt, also ein Mensch, der nach außen hin freundlich, eher harmonisierend denn konfrontativ wirkt, der mit vielen gut kann und von vielen gemocht wird, weil er - so wiederum die Aussage anderer - eine ehrliche Haut, ein authentischer Typ und ziemlich unkompliziert ist. Das alles klingt ja eigentlich positiv. Hinzu kommt noch, daß es in meinem Leben handfeste Gründe, depressiv zu werden, nicht gibt: Ich lebe in einer Beziehung, die mir Wärme und Sicherheit gibt, ich habe eine Tochter, die mich liebt, ich habe ein sicheres und ausreichendes Einkommen, eine schöne Wohnung, einen Beruf, der mir Spaß macht - kurzum: Es gibt nichts Konkretes in meinem Leben, das mich niederschlagen müßte.
Trotzdem bin ich depressiv geworden. Warum?
Ein Grund ist ganz sicher eine sozusagen genetische Disposition: Meine Mutter war ihr Leben lang depressiv. Ein zweiter Grund steht damit in Zusammenhang; er betrifft die Art und Weise, wie ich erzogen wurde - nämlich streng - und wie ich als Kind demzufolge war: zurückhaltend, schüchtern, empfindsam, untergeordnet, brav, nicht sehr selbständig.
Trotz dieser "Grundlagen" ging es mir bis zu meinem 35. Lebensjahr nach meiner eigenen Wahrnehmung recht gut; dann starb mein Vater. Bereits während seiner letzten Monate entwickelte ich starke Angstzustände, die - wie ich heute weiß - Vorboten meiner Depression waren. Diese kam vor ungefähr 1 Jahr zum Ausbruch, wenige Monate nach dem Tod meiner Mutter. Auf ihn reagierte ich zuerst mit den schon 'vertrauten' Angstzuständen, die ich in einer Verhaltenstherapie erfolgreich bekämpfte. Als die Angst verschwunden war, kam ziemlich unverhofft die Depression, so wie ich sie oben geschildert habe.
Der entscheidende Punkt in meinem Fall aber ist der folgende: Meine Depression war letztendlich eine Sinnkrise. Depressiv zu sein hieß für mich, in dem, was ich tat, keinen Sinn mehr erkennen zu können.
Diese Krise manifestierte sich vor allem in zwei Bereichen: In meinen jungen Jahren war ich ein sehr politischer Mensch voller Ideale und Hoffnungen, die sich im Laufe der Jahre, in denen ich immer mehr ihren utopischen Charakter einsehen mußte, in ein Nichts verflüchtigten. Der zweite Punkt betrifft meine Arbeit. Ich habe einen Beruf, der nicht nur mein Wunschberuf war, sondern der mir auch über lange Jahre hinweg sehr viel Spaß bereitet hat. Ich habe sehr viel Energie in diesen Beruf investiert und empfand ihn immer als sinnvoll und bereichernd. Er war und ist jetzt wieder ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens. Aber auch er verlor in den letzten Jahren vor Ausbruch meiner Krankheit immer mehr von seiner positiven Wirkung, bis ich mich schließlich jeden Tag buchstäblich zur Arbeit schleppen mußte, statt wie früher beschwingten Fußes dorthin zu eilen. Die Sinnkrise äußerte sich in einem geradezu überbordenden Zynismus. Ich habe das bereits erwähnt. Sofern ich die Welt überhaupt wahrnahm, war sie mir nur noch Anlaß zu bösartigen Kommentaren und bitterem Gelächter. Die Menschheit war eine Ansammlung von Schwachköpfen und Verbrechern.
Ich denke, daß es diese beiden Verluste waren, der des politischen und der des beruflichen Sinns, die den Boden bereitet haben für meine Krankheit. Der Tod meiner Mutter war natürlich auch für sich allein genommen ein einschneidendes Ereignis, er war aber vor allem der Auslöser der Depression, für die der Boden bereits bestellt war.
Das, was ich eben recht grob als Ursachen und Auslöser meiner Depression benannt habe, muß in dieser Ausformung nicht auf jeden zutreffen. Ebenso wird mein typischer depressiver Tag mit dem Alltag anderer depressiver Menschen vielleicht nur wenig Ähnlichkeit haben. Und schließlich mögen sich die Lebensverhältnisse anderer Depressiver eventuell ganz anders darstellen als die meinen. Dennoch sind die Grundzüge dessen, was ich geschildert habe, nach meiner Überzeugung verallgemeinerbar.
[Eine Anmerkung in Klammern: Wie ich gelesen habe, soll es in Deutschland 4 Millionen Depressive geben. Depression ist offensichtlich eine moderne Volkskrankheit, der aber nichtsdestotrotz - vor allem bei Männern - der Rauch des Unschicklichen anhängt. Es wäre sicher sehr interessant, länger darüber nachzudenken, warum es in modernen Industriegesellschaften so viele Depressive gibt und warum Depression - anders als der Herzinfarkt oder das Magengeschwür - keine 'ehrenwerte' Krankheit ist. Da aber dies hier ein persönlicher Erfahrungsbericht und keine gesellschaftspolitische Abhandlung ist, will ich mir solche Überlegungen verkneifen.]
Der Ausbruch aus dem Teufelskreis:
Zu welchem Zeitpunkt ich von der CDK erfuhr, habe ich ja bereits geschildert. Es war ein Zeitpunkt, zu dem ich bereits halbwegs begriffen hatte, daß es so nicht weitergehen konnte, wollte ich nicht meine Beziehung und meinen Beruf aufs Spiel setzen. Was mich aber schließlich spontan bewog, meine Selbsteinlieferung zu betreiben, waren im wesentlichen zwei Aspekte: Zum einen wurde aus den Prospekten recht klar, daß die CDK eher einem Hotel als einer Klinik ähnelt. Das war für mich sehr wichtig, da ich eine panische Angst davor hatte, in der Psychiatrie eines normalen Krankenhauses zu landen. Der zweite Punkt betraf das kaum glaubhafte Therapeuten-Patienten-Verhältnis von 1:1.
Nachdem ich schließlich in der CDK angerufen hatte, wurde ich recht schnell von einem Therapeuten zurückgerufen, dem ich meine Lage schilderte und der mir die üblichen Aufnahmemodalitäten schilderte: Normalerweise gibt es 2 Diagnostik-Tage in der Klinik oder beim Patienten zu Hause, falls dieser sich außerstande sieht, die Wohnung zu verlassen. In der Regel einige Wochen später erfolgt dann die stationäre Aufnahme. In meinem Fall ließ es sich glücklicherweise so einrichten, daß die stationäre Aufnahme unmittelbar nach der Diagnose stattfinden konnte.
Zwischen meiner Anmeldung in der CDK und dem Abreisetermin war nun noch eine Woche Zeit. In dieser Woche kämpfte die Depression mit Zähnen und Klauen: Ich aß fast gar nichts mehr und ekelte mich vor fast allem, ich bekam Durchfall, mir war permanent übel, ich mußte mich täglich übergeben, ich war völlig kraftlos, bei der geringsten gedanklichen oder körperlichen Anstrengung bekam ich Schweißausbrüche, meine Brust schmerzte, ich hatte Schluckbeschwerden und war sowieso überzeugt, es sei Krebs. Noch eine Stunde, bevor mein Zug nach Münster abfuhr, hing ich - sorry - kotzend über der Kloschüssel. Irgendetwas in mir wollte da nicht hin. Aber schließlich schaffte ich es dann doch. Zum ersten Mal seit langem verließ ich das Haus, lenkte mein Auto sogar selbst zum Bahnhof, und siehe da!: Kaum war ich dort, bekam ich Appetit. Ich kaufte mir ein Wurstbrötchen und eine Frikadelle, und der Zug war kaum eine halbe Stunde unterwegs, da hatte ich beides aufgegessen.
Die Wochen in Münster:
Die CDK stellte sich mir so dar, wie ich es erhofft hatte: Hotelatmosphäre, die Zimmer einfach und funktional, aber nicht unangenehm eingerichtet, die Menschen an der Rezeption und in der Küche und auch das Putzpersonal freundlich und zuvorkommend. Aber viel wichtiger war für mich die Frage: Was würde jetzt mit mir geschehen? Irgendeine Art von Gehirnwäsche? Würde ich irgendwie ruhiggestellt werden? Ich glaube, jedem, der sich in eine stationäre psychotherapeutische Behandlung begibt, werden solche blöden Gedanken durch den Kopf gehen. Ich jedenfalls war sehr aufgeregt, unsicher und ängstlich.
Und dann war eigentlich alles sehr einfach: Mein Therapeut entpuppte sich als ein sehr netter und freundlicher Mensch und als sehr aufmerksamer Zuhörer und Gesprächspartner, mit dem ich von Anfang an 'konnte' (und er mit mir wohl auch. Übrigens war an den Diagnostik-Tagen eine zweite Therapeutin anwesend und in der zweiten Hälfte meiner Therapie wiederum eine andere. Hier wurden wohl seitens der Klinik Ausbildung und Supervision verknüpft. Für mich aber ergab sich das Verhältnis 2 Therapeuten - 1 Patient. Irre!). Am ersten Tag erzählte ich wohl 2 - 3 Stunden lang von dem, was mit mir los war; anschließend ging mein Therapeut mit mir einen Fragebogen durch, der - zusammen mit meiner Erzählung - zu einer abgesicherten Diagnose führen sollte: Major Depression. In den folgenden Tagen saß ich mit ihm zuerst 3 - 4 Stunden, dann nur noch 2 Stunden täglich zusammen. Was taten wir? Wir arbeiteten heraus, wo die depressive Spirale begann, wie sie sich entwickelte und in immer schnellere Drehungen geriet; wir redeten über die Ursachen meiner Depression (teilweise ging das auch bis in Kindheitserlebnisse hinein).
Aber der Schwerpunkt unserer gemeinsamen Arbeit lag darin, ein Programm zu entwickeln, das mich aus der Depression herausführen würde, und dessen Umsetzung nachzubesprechen.
Die Art von Therapie, die in Münster praktiziert wird, ist also vorrangig zukunftsorientiert und nicht so sehr an der Aufarbeitung der Vergangenheit interessiert, wie dies wohl die Psychoanalyse wäre. Dieses Programm widmete sich vier Aufgaben:
1.
Ich sollte und wollte wieder zu einem aktiven Menschen werden. Dazu gab es einen Wochenplan, in welchen ich 1 - 2 Tage im voraus meinen Tag plante: Was würde ich wann unternehmen (Theater, Kino, Schach, Lesen, Einkaufen, Schwimmen, Spazierengehen ...)? (Übrigens: Ich habe in den 3 Wochen in der CDK keine Minute tagsüber im Bett gelegen.)
2.
Es galt, die körperlichen Faktoren zu beobachten. Dazu führte ich ein Protokoll, indem ich Schlafstörungen und nächtliche Schweißausbrüche festhielt. Schon nach wenigen Tagen war dieses Protokoll eigentlich überflüssig.
3.
Wichtig war, meine längst verloren gegangene Genußfähigkeit wiederzubeleben. Auch dazu erhielt ich eine Hausaufgabe: Ich notierte Tätigkeiten, die mir früher Freude bereitet hatten, trug in eine Liste ein, welche davon ich an einem bestimmten Tag ausgeführt hatte, und beobachtete die Zusammenhänge zwischen der Zahl dieser Tätigkeiten und meiner Stimmung. Dieser Zusammenhang ist nicht mechanisch und direkt (also: 5 genußvolle Tätigkeiten = Top-Stimmung), aber es gibt ihn. Und vor allem lernte ich dank dieser Aufgabe, mich zu erinnern, wie vieles in meinem Leben mir doch eigentlich Spaß machte.
4.
Das Wichtigste und für mich Schwierigste aber war: neue Kognitionen. Zu deutsch: Weg mit den bösen Blicken, den schwarzen Gedanken und dem ganzen Zynismus, her mit einem realistischen, klaren Blick auf die Welt. Schwierig war dieser Teil für mich vor allem deshalb, weil ich mich ja nicht blöder stellen kann, als ich bin: Diese Welt ist in vielem - ich wähle bewußt noch einmal das harte Wort - zum Kotzen, und sie hat jeden bösen Blick verdient. Aber niemand kann gesund überleben, wenn er nur diesen Teil sieht, und es gibt ja auch unendlich viel Schönes. Diese notwendige Änderung in der Art und Weise, die Welt zu betrachten, also auch das Schöne zu sehen, erlernte ich neu, indem ich zusammen mit meinem Therapeuten bestimmte, oft banale Situationen analysierte: Wie reagiere ich automatisch auf diese Situation, und welche Folgen hat das? Wie könnte ich auch darauf reagieren, und was würde dann daraus resultieren?
Um es kurz zu machen: Nach 3 Tagen spazierte ich durch Münster (übrigens eine wunderschöne Stadt, und die Klinik liegt direkt am Rande der Altstadt), ich hatte mein Freizeitprogramm, das ich genußvoll absolvierte, ich hörte auf, nachts zu schwitzen, ich hatte keine Alpträume mehr, ich aß wie ein Scheunendrescher und soff nicht mehr etc. pp.
Hier soll wirklich keine Glorifizierung stattfinden, aber es war alles so viel einfacher und vor allem 'ungefährlicher' als vorher befürchtet.
[Noch eine Anmerkung in Klammern: Der ärztliche Leiter der Klinik riet mir zu einer die Psychotherapie begleitenden medikamentösen Therapie. Das war noch so eine Barriere: Ich kannte von früher Menschen, die mit Psychopharmaka behandelt worden waren, und empfand das, was sie mit ihnen anstellten, als furchterregend. Ich habe dann dennoch 'Ja' gesagt, weil mir gut begründet wurde, warum Medikamente notwendig sind, und wenn es auch unerwünschte körperliche Folgen wie Gewichtszunahme gibt, so würde ich jedem, dem in dieser Klinik Medikamente anempfohlen werden, raten zuzustimmen.]
Nach einer Woche Münster schlug ich selbst meinen Entlassungstermin für 2 Wochen später vor. Wie gut ich zu diesem Zeitpunkt das, was mit und in mir vorging, bereits einschätzen konnte, wird dadurch belegt, daß ich genau zu dem von mir ins Auge gefaßten Termin auch wirklich nach Hause fuhr.
Die Zeit danach:
Inzwischen bin ich seit 2 Monaten zu Hause, arbeite wieder und war auch bereits im Urlaub. Und es geht mir gut. Über eines sollte sich aber jede(r), der gerade ähnliches erlebt, wie ich es erlebt habe, und die oder den dieser Bericht hoffentlich darin bestärkt, etwas zu unternehmen, klar werden: Mit der Entlassung aus der Klinik ist die Krankheit nicht besiegt. Die Depression ist ein hartnäckiges Biest, und sie kann zu jeder Zeit wiederkommen. Daran ähnelt sie dem Alkoholismus. Wer einmal depressiv war, kann es leichter als andere Menschen wieder werden. Zweierlei ist daher wichtig: Man darf auf keinen Fall ohne vorherige Rücksprache in die Medikamentation eingreifen, und man muß die in der CDK eingeübten Hausaufgaben für längere Zeit fortführen. Gerade das letztere bewirkt, daß man gedanklich und gefühlsmäßig auf dem Sprung bleibt und Anzeichen einer wiederkehrenden depressiven Verstimmung frühzeitig bemerkt. Es hilft aber auch ganz unabhängig von der Krankheit, sich seiner selbst bewußt zu werden und zu bleiben.
Zum Glück wird man bei diesen Aufgaben nicht allein gelassen. Ich habe gerade heute morgen, 2 Monate nach Abreise aus der Klinik, mit dem ärztlichen Leiter telefoniert und gestern mit meinem Therapeuten, dem ich wöchentlich 'brav' meine Hausaufgaben zuschicke.
Ich möchte zum Schluß alle, denen es zur Zeit ähnlich übel ergeht wie mir seinerzeit oder vielleicht auch ein wenig besser oder eventuell noch schlimmer, herzlich darum bitten, etwas gegen ihre Depression zu tun. Der Entschluß, in die CDK zu gehen, ist nach meinen Erfahrungen ganz sicher ein guter. Dort wird man zwar nicht geheilt, aber man bekommt alle Chancen, es selbst zu tun. Alles Gute! 14.7.2000 H.
Essstörungen Anorexie
Weiblich, 30 Jahre, Diagnose: Anorexie
Wie alles begann…
Ich heiße Kathrin, bin 30 Jahre alt und habe seit ca. einem Jahr Anorexie. Bei mir begann die Magersucht eher untypisch: Eigentlich wollte ich gar nicht abnehmen, habe mich mit meinen knapp 80kg bei 1,66m Körpergröße wohl gefühlt – auch wenn ich etwas "pummelig" war. Auf Wunsch meines Freundes haben wir beide dann begonnen, mehr Sport zu treiben. Schon bald kamen viele positive Rückmeldungen von anderen: "Du siehst klasse aus.", "Die Kilos weniger stehen dir gut."
Und aus zwei Mal pro Woche Sport wurde der Zwang, mich täglich zu bewegen, immer fitter zu werden und immer mehr abzunehmen.
Bald schon wog ich mich täglich und das Gewicht bestimmte meinen restlichen Tag. Hatte ich abgenommen, ging es mir gut. Nahm ich zu, verdarb mir das die Stimmung. Ich achtete immer mehr auf meine Ernährung, ließ nach und nach alle hoch kalorischen Lebensmittel weg. Zum Schluss aß ich pro Tag maximal eine Clementine und ein bisschen Magerjoghurt, an einigen Tagen auch gar nichts. Meine Gedanken drehten sich nur noch ums Essen und ich konnte nicht aufhören, Kalorien zu zählen. Immer öfter gab es deswegen Streit mit meinem Freund oder meiner Familie und ich isolierte mich immer mehr von meinen Freunden und Bekannten.
Obwohl viele von ihnen mich ziemlich schnell auf meinen Gewichtsverlust (knapp 40kg in wenigen Monaten) ansprachen, wollte ich mir doch nicht so recht eingestehen, ein Problem zu haben. Irgendwann merkte ich aber dann doch, dass etwas nicht stimmte. Ich begann mit einer ambulanten Therapie und war mir sicher: "Das schaffst du." Die Sucht aber, immer mehr abzunehmen, war jedoch so groß, dass mir meine Therapeutin schnell riet, mich um einen Platz in der CDK zu bemühen, was ich dann auch tat.
Körperliche Beeinträchtigungen und mein schönstes Weihnachtsgeschenk…
Bald wurden auch die körperlichen Beeinträchtigungen immer mehr.
Meine Konzentration ließ nach, meine Haare fielen vermehrt aus, meine Beine gaben oft nach und mir wurde schwarz vor Augen.
Bei längeren Autostrecken musste ich zwischendurch eine Pause machen, ich hatte große Schlafprobleme (oft nur 2-3 Stunden pro Nacht) und habe permanent extrem gefroren. Dazu kam, dass sich meine Stimmung aufgrund einer Depression täglich verschlechterte, ich immer antriebsschwächer wurde und mich ständig das Gefühl von einer nicht mehr weggehenden Traurigkeit überkam. Besonders die letzten Wochen bevor ich in die Klinik gehen konnte, waren für meine Angehörigen und mich sehr schwer, da sich durch die Essstörung mein Charakter veränderte, ich oft unberechenbar reagierte, panisch wurde und mich meiner Umwelt gegenüber immer abweisender verhielt. Mein eigentlicher Aufnahmetermin in der CDK sollte erst später sein, aber als am Tag vor Heiligabend der Anruf kam, dass ich direkt nach Weihnachten kommen durfte, war ich nur noch erleichtert. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk hätte ich nicht bekommen können. Nun wusste ich: "Mir wird geholfen. Es geht wieder aufwärts."
Laut meines Arztes waren die meisten meiner Blutwerte aber bis zum Schluss noch weitestgehend im normalen Bereich, sodass ich die körperlichen Beeinträchtigungen nicht ernst genug nahm. Der Arzt, der mich während der Zeit in der CDK betreut hat, stellte dort aber fest, dass mein Puls und mein Blutdruck deutlich zu niedrig waren, mein Nierenfett fast aufgebraucht war, sich eine Osteoporose gebildet hatte und eine Funktion der Schilddrüse nicht in Ordnung war.
Als er mir bei meinem ersten Besuch bei ihm sagte, dass es gut sei, dass ich jetzt schon in die Klinik gegangen bin, weil ich sonst meinen 30. Geburtstag – der nur zwei Wochen später war – vielleicht nicht mehr miterlebt hätte, musste ich doch schlucken. Das hätte ich nie erwartet. Aber es bestärkte mich auch, dass der Schritt in die Klinik der richtige gewesen ist.
Mein Start in der CDK…
Die ersten Tage in der Klinik waren unheimlich anstrengend. Ich fühlte mich allein und mit dem vollen Programm (Essen, Einzel- und Gruppentherapie, etc.) oft überfordert. Die Priorität in der ersten Phase der Behandlung liegt auf dem regelmäßigen Einnehmen der fünf Mahlzeiten und der damit verbundenen Gewichtszunahme. Obwohl es für mich eine große Umstellung bedeutete so oft und so viel zu essen, fielen mir die Mahlzeiten in der Gruppe zur dosierten Gewichtszunahme (auch Essgruppe genannt) aber bald nicht mehr schwer, da die anderen Patienten und ich sie alle gemeinsam einnahmen und ich im Austausch mit ihnen merkte: "Ich bin nicht allein mit meinen Problemen. Denen geht es ähnlich. Wir haben die gleichen Ängste und können uns gegenseitig helfen und unterstützen."
Besonders positiv habe ich den Zusammenhalt in der Gruppe erlebt. Es tat einfach unheimlich gut, sich mit Menschen zu unterhalten, die ähnliche Probleme hatten.
Auch die Gespräche mit meinem Therapeuten halfen mir, mit der Situation umzugehen. Schwierig waren natürlich die Wiegetermine, denn obwohl ich ja gesund werden wollte, stellte jede Gewichtszunahme eine Herausforderung dar, mit der ich lernen musste, angemessen umzugehen. Je mehr ich aber an Gewicht zunahm, desto eigenständiger durfte ich auch wieder handeln. Mein Essen konnte ich mir zunächst unter Aufsicht der Therapeuten und später selbst stellen und die Wochenenden durfte ich dann auch zu Hause verbringen.
Phase 2…
Die zweite Phase, in die ich mit einem BMI von 17 kam, war für mich persönlich von noch größerer Bedeutung, da die Intensität der Therapie mit vier Stunden pro Tag deutlich umfangreicher war. So konnten meine Therapeutin und ich an vielen für mich wichtigen Themen arbeiten und gemeinsam Strategien entwickeln, wie ich es schaffe, mich von der Essstörungsstimme in meinem Kopf zu lösen.
Wir haben auch gemeinsam etliche Lebensmittelübungen gemacht, um mir die Angst vor bestimmten Nahrungsmitteln zu nehmen und mein Essverhalten wieder zu normalisieren. Darüber hinaus haben wir an meinem Körperbild (ich sehe mich immer noch dicker als ich bin, lerne dies aber immer besser richtig einzuschätzen), meinem Selbstwertgefühl und vielen anderen Bereichen, die für mich wichtig waren, gearbeitet und dabei auch auf die Ursachen, die zur Entstehung meiner Essstörung geführt haben, geguckt.
Neben der Einzeltherapie hatte ich wöchentlich noch die Problemlöse-, die Koch- und die Depressionsgruppe. Schön und hilfreich war dort der Austausch mit anderen Patienten. Die Depressionsgruppe hat mich u.a. darin unterstützt, schwierige Situationen für mich anders zu bewerten und dadurch meine allgemeine Stimmung ungemein zu verbessern. Die Phase 2 war unheimlich anstrengend, aber auch sehr interessant, denn ich konnte viel über mich lernen und habe einiges über mich erfahren.
Wieder daheim…
Nun bin ich seit wenigen Wochen zu Hause und es gelingt mir auch hier, die Inhalte und Zielvereinbarungen meiner Therapie umzusetzen. Ich habe noch telefonischen Kontakt zu meiner Therapeutin in der CDK und gehe parallel dazu auch wieder zu meiner ambulanten Therapeutin, um meine Therapie fortzusetzen und mir für schwierige Situationen Hilfe zu holen.
Besonders wichtig ist für mich aber, dass ich mich auch zu Hause strikt an meine fünf Mahlzeiten und die benötigte Kalorienmenge halte. Obwohl es immer noch Lebensmittel gibt, die ich (noch) nicht essen kann, und mir viele Situationen (z.B. das Essen mit anderen) schwer fallen, bin ich doch auf einem guten Weg und habe in der Klinik gelernt, mit solchen Momenten angemessen umzugehen.
Auch wenn es vielleicht noch lange dauert, bis alles wieder "normal" verläuft, freue ich mich schon jetzt auf diese Zeit. Ich war oft verzweifelt und dachte "Das schaffst du nicht.", aber nun weiß ich: "Doch, das kann ich schaffen und ich will es schaffen."
Meine Zukunft mit meinem Freund, meiner Familie und meinen Freunden ist mir sehr wichtig und die möchte ich gesund genießen können. Die Wochen und Monate in der CDK waren oft sehr hart, aber für mich der einzig richtige Weg diese schreckliche Krankheit zu besiegen. Dankbar bin ich meinem Freund, meiner Familie, meinen Freunden, Mitpatienten, Ärzten, Therapeuten und Mitarbeitern der CDK, weil sie mich immer unterstützt und stets an mich geglaubt haben.
Weiblich, 19 Jahre, Diagnose: Anorexie
„Wie, du bist schon mal hier gewesen?!“ Diesen entsetzten Ausruf vieler Mitpatienten habe ich weit mehr als ein Mal gehört, als ich von Mitte Mai bis Ende August letzten Jahres insgesamt 14 Wochen wegen meiner Anorexie in der CDK verbracht habe.
Und ja, es stimmt, es war mein zweiter Aufenthalt in dieser Klinik, nachdem ich hier im Sommer 2007 schon einmal für 8 Wochen eine Therapie gemacht hatte. Da lag für viele der anderen Patienten natürlich die Vermutung nahe, der erste Aufenthalt sei völlig umsonst gewesen, was bei meinem Gewicht von knapp 36kg bei einer Größe von 1,62cm auch sicher nicht anders aussah.
Ich für mich selber kann aber sagen, dass ich diese 14 Wochen niemals so erfolgreich hätte abschließen können, wie ich glaube es getan zu haben, wenn ich nicht schon einmal in der CDK gewesen wäre. Ich denke, bei einer Anorexie ist es das wichtigste, herauszufinden, welche Probleme „dahinter“ liegen, und dafür braucht es eben eine lange Zeit. Insofern sah ich die Rückkehr nicht als eine Niederlage an, sondern vielmehr als Motivation, meinem Leben nun endlich eine positive Wendung zu geben.
Trotzdem fielen mir ganz besonders die ersten Wochen in der Essgruppe sehr schwer. Da das Essen an sich für mich persönlich kein wirklich großes Problem ist und ich mich auch nie zu dick gefühlt habe, hatte ich in dieser Hinsicht mit Sicherheit zwar einen großen Vorteil den anderen Patientinnen in der Gruppe gegenüber, für die zum Großteil jede Mahlzeit aufs Neue eine starke Herausforderung darstellte.
Allerdings bedeutete das für mich auch, dass ich über eine sehr lange Zeit mit Themen konfrontiert wurde, die mir nicht wirklich weiterhalfen. Auf der anderen Seite weiß ich aber von vielen der anderen Gruppenmitglieder, dass ihnen auch schon die Gruppentherapien in der Essgruppe sehr viel gebracht haben.
Hinzu kommt ganz bestimmt der riesige Zusammenhalt, der in der Gruppe herrschte, denn wo auch immer die individuellen Probleme lagen, wir haben alle eine unglaublich schwere Zeit durchlebt.
Anfangs hatte ich oft das Gefühl, „es geht nicht mehr“; manchmal glaube ich, ich habe mehr existiert als wirklich gelebt.
Aber auch wenn man es sich in dieser Zeit kaum vorstellen kann, auch solche Tage gehen vorbei und ich kann wirklich sagen, gestärkt daraus hervorgegangen zu sein.
In den letzten beiden Wochen meiner Zeit in der Essgruppe begann dann eigentlich die wirklich intensive Einzeltherapie mit 1 Stunde pro Tag. Die letzten 4 Wochen in der Phase 2 hatte ich sogar ca. 4 Stunden am Tag, was zwar unglaublich anstrengend, aber eben auch dementsprechend effektiv war. Viele Problembereiche, die ich hier bearbeitet habe, schienen mir vorher einfach unlösbar und unüberwindbar zu sein, aber ich habe gelernt, dass man auch solche Dinge verändern oder zumindest mit ihnen leben kann.
Zwar hatte ich nach der 1. Phase in der Essgruppe einen Therapeutenwechsel, worüber ich sehr traurig war, weil ich bis dahin wirklich super mit meiner Therapeutin klar gekommen war. Aber meine Befürchtungen, dass sich dies durch den Wechsel ändern könnte, bestätigten sich absolut nicht. Auch in der zweiten Phase habe ich mich fast immer auf die Therapie gefreut, denn ich wusste, dass viele Themen zwar äußerst schwierig zu bearbeiten sind, mir eine Auseinandersetzung mit solchen Dingen aber eben auch weiterhilft.
Besonders beeindruckt war ich von den vielen praktischen Übungen, die ich mit meiner Therapeutin gemacht habe und von ihrem wirklich tollen Engagement. Einen Abend haben wir sogar zusammen in der Disko verbracht (natürlich aus therapeutischen Gründen), was für mich zunächst eine sehr große Überwindung war, mir aber im Rückblick unglaublich viel gebracht hat.
Alles in allem bin ich nach dieser langen Zeit in der CDK nun sehr zuversichtlich, die Rückkehr ins „wahre Leben“ gut zu schaffen. Natürlich sehe ich auch die Gefahren eines Rückfalles, denn besonders zu Hause im alten Umfeld kann man schließlich leicht auch wieder in alte Denkmuster und Gewohnheiten zurückfallen.
Auf der anderen Seite fühle ich mich aber auch in der nächsten Zeit noch gut nachbetreut, denn ich werde weiterhin Gespräche mit meiner Therapeutin haben und halte mir auch die Möglichkeit eines zweiwöchigen Intervalls zur Auffrischung der Therapie in einigen Monaten offen.
In jedem Fall hat mir der Aufenthalt hier gezeigt, dass alles möglich ist, wenn man es nur will und dass es sich lohnt zu kämpfen für dieses Leben. Ein „es geht nicht mehr“ gibt es nämlich gar nicht!
Weiblich, 18 Jahre, Diagnose: Anorexia nervosa (Magersucht), depressive Episode
Es gibt ein Leben ohne Magersucht!
Manchmal habe ich das Gefühl aus einem Traum zu erwachen und ich stelle mir voll Schrecken die Frage, ob ich wirklich von mir verlangen kann, ohne diese Krankheit zu leben. In den folgenden Sekunden weiß ich aber wieder ganz genau, dass ich mich bereits dafür entschieden habe.
Ursprünglich bin ich nicht freiwillig hierher in die Christoph-Dornier-Klinik gekommen, sondern habe dem Druck meiner Eltern und Ärzte nachgeben müssen, weil ich noch minderjährig war.
Alle versuchten mir einzureden, dass ich magersüchtig sei, ich empfand mich mit meinen 39 kg jedoch als fett.
Außerdem konnte ich nicht glauben, dass ich schon wieder in eine Klinik sollte, denn ich hatte bereits sechs Monate wegen Magersucht in einer Psychiatrie verbracht und 15 kg zugenommen. Ich wollte erst ein “neues“, glückliches Leben beginnen, wenn ich mein Wunschgewicht von 29 kg erreicht hätte. Dann...., sagte ich mir immer, aber heute weiß ich, dass das eine große Illusion war und ich dieses „dann“ nicht mehr erlebt hätte.
Die ersten Tage...
Die ersten Tage in der Klinik waren schrecklich. Ich fühlte mich alleingelassen, hatte ständig das Gefühl am falschen Ort zu sein, weil ich mich so dick empfand und ich quälte mich durch jede einzelne Mahlzeit in der Essgruppe. Ich bemühte mich durch heimlichen Sport den Rufen und dem Bitten der Magersucht gerecht zu werden: „Du musst abnehmen, wenn du glücklich werden willst! Abnehmen, abnehmen, rennen!“
Ich trieb diesen Wahnsinn solange, bis mir meine Mitpatientinnen rieten, mich einmal in Unterwäsche zu fotografieren und als ich mir die Fotos dann schließlich anschaute, sah ich mich zum ersten Mal so abgemagert, wie ich war. Blaue Flecken an Armen und Beinen vom Liegen, der Bauch flach wie ein Stapel Papier, eingefallen, tote Augen!
In mir brach eine Welt zusammen und ich weiß seit diesem Zeitpunkt, dass ich magersüchtig bin. Und das seit vier Jahren. Daraufhin habe ich mich auch aus eigenem Willen für eine Behandlung in der Christoph-Dornier-Klinik entschieden. Der ehrliche Wille und die eigene Entscheidung waren das Wichtigste auf dem langen Weg aus der Krankheit, ebenso wie das essen.
Behandlungserfolge...
So schwer es anfangs fällt, ohne die Gewichtszunahme und die regelmäßige Nahrungszufuhr kann man seine Gedanken ans Essen nicht ändern. Aber bei all der Schwierigkeiten und Krisen standen mir die Klinik, die Therapeutin und die Mitpatientinnen so gut es ging bei. Gerade in der Essgruppe konnte man sich gegenseitig unterstützen. So bewegte ich mich in den kommenden Wochen langsam aus der Kälte und dem Schmerz der Krankheit in Licht und Wärme, um schließlich in Phase II (ab BMI 17) genauer nach der Ursache meiner Magersucht zu schauen.
Ich lernte zwar langsam, aber sicher, mit Hilfe meiner sehr lieben Einzeltherapeutin, das Leben wieder kennen und war nun auch bereit, den extrem krankhaften Teil der Magersucht loszulassen und mich den Problemen, die ich mit der Magersucht verdrängt hatte, zu stellen.
Dem Erwachsen- und Frauwerden, Verantwortung für mich zu übernehmen und nicht jede Minute meines Lebens zu planen und zu kontrollieren.
Trotzdem kam ich immer wieder an Punkte, an denen ich mich neu und mit aller Ehrlichkeit für das Leben und gegen die Krankheit entscheiden musste. An diesen Punkten bin ich jedes mal stärker geworden.
Seit meiner Behandlung kann ich mich wieder am Leben und schönen Dingen freuen, habe meinen abgrundtiefen Selbsthass überwunden und bin an der Überwindung dieser Krankheit unheimlich gewachsen.
Ich kann allen Betroffenen nur zu einer Therapie raten, denn auch wenn es ein sehr anstrengender Weg aus der Krankheit ist, er ist da.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!
Essstörungen Bulimie
Weiblich, 26 Jahre, Diagnose: Binge Eating
Probleme mit meinem Essverhalten und den unbändigen Druck, dünn zu sein, hatte ich eigentlich schon seit der Pubertät.
Nachdem ich als Kind immer eher etwas zu dünn war und oftmals kaum Appetit hatte, schlug es in der Pubertät eher in die entgegengesetzte Richtung um und ich nahm rund zehn Kilogramm in relativ kurzer Zeit zu. Die negativen Reaktionen von Familie, Bekannten und Schulkameraden blieben natürlich nicht aus. Sprüche wie „Du gehst auf wie ein Hefekuchen“ zählten noch zu den eher harmloseren Äußerungen.
Bis ich 21 Jahre alt wurde, war ich zwar niemals wirklich dick, aber immer etwas kräftiger. Stets empfand ich selbst das als riesigen Makel, ich war unglaublich neidisch auf meine schlankeren Freundinnen.
Generell konnte ich es nur sehr schwer ertragen, wenn ich in puncto Aussehen, Sport und Schule nicht herausragend sein konnte. Bei allem, was ich tat, war ich äußerst ehrgeizig und perfektionistisch.
In einem Urlaub in den USA im Frühjahr 2004 fing ich dann mit einer Schlankheitskur an. Ich aß sehr restriktiv und nahm in kurzer Zeit rund fünfzehn Kilogramm ab. Ich bekam sehr viel Anerkennung und Lob für meine neue, sehr schlanke Figur und fühlte mich endlich perfekt, unschlagbar und unangreifbar. Ich wollte niemals im Leben wieder zunehmen, hatte das Gefühl, es „endlich geschafft zu haben“. Wenn Freunde meinten, dass ich zu dünn sei, tat ich das als lächerlich ab und glaubte ihnen nicht. „Dünn genug“ bzw. „zu dünn“ gab es für mich nicht.
Über zwei Jahre schaffte ich es, sehr restriktiv zu essen und mein Gewicht strengstens zu kontrollieren. Ich hatte nur sehr wenige Lebensmittel, die ich mir zu essen erlaubte und trieb zudem exzessiv Sport. Irgendwann jedoch fingen die unkontrollierbaren Essattacken an. Ich erbrach häufig, um hierdurch nicht zuzunehmen. Jedoch bekam ich schreckliche Schuldgefühle, war häufig in depressiver Stimmung und hatte schreckliche Angst, dass irgendwie alles über mir zusammenbricht. Nicht nur ich selbst, sondern auch mein Umfeld merkte immer mehr, dass ich ein großes Problem habe. Ich war extrem unkonzentriert, antriebslos und einfach nicht mehr ich selbst.
Im Winter 2007 entschied ich mich daher zu einem vierwöchigen Aufenthalt in der Christoph-Dornier-Klinik. Der Aufenthalt tat mir damals sehr gut und ich konnte einige neue Erkenntnisse mit nach Hause nehmen. Ich würde jedoch rückblickend sagen, dass ich damals innerlich einfach noch nicht bereit war, mich endgültig von der Essstörung zu verabschieden. Ich hatte große Angst vor einer Veränderung und mein Aussehen bedeutete mir nach wie vor alles. Ich bildete mir ein, durch die Essstörung die volle Kontrolle über meinen Körper zu haben.
Zuhause rutschte ich daher schnell wieder in das alte, restriktive Essverhalten und nahm in kurzer Zeit wieder schnell ab. Auch die Essanfälle kamen nun immer häufiger und in kürzeren Abständen. Schleichend, aber stetig rutschte ich immer tiefer in die Bulimie. Ich konnte mein Essverhalten kaum noch kontrollieren und nahm durch die häufigen Essattacken einiges an Gewicht zu und war nun übergewichtig! Ich bekam sehr viele negative Reaktionen von meinem Umfeld auf mein verändertes Aussehen, zumal mich die meisten nur sehr schlank kannten und nichts von meinem Problem wussten. Ich schämte mich unheimlich, ekelte mich vor mir selbst und schottete mich zunehmend von der Außenwelt ab. Dadurch wurden die Essanfälle wiederum häufiger, mir ging es immer schlechter. Immer wieder schaffte ich es zwischendurch, wieder einiges abzunehmen, aber mein Gewicht ging ständig auf und ab. Ich wechselte von Hungerphasen in extreme Ess-Brechphasen, normales Essen war mir nahezu unmöglich. Ich richtete mein ganzes Leben nach der Essstörung und schränkte mein soziales Leben immer weiter ein. Freunde treffen, verreisen, auf Partys gehen – all das ging nur, wenn ich mich und mein Gewicht gerade „im Griff“ hatte.
Nachdem es vier Jahre so ging und ich den ständigen Kampf mit mir selbst und den damit verbundenen seelischen Druck nicht mehr aushielt, entschied ich mich nach langen Überlegungen für einen erneuten Aufenthalt in der Christoph-Dornier-Klinik mit dem festen Willen, nun endlich einen neuen Anfang zu machen.
Anfangs hatte ich sehr große Angst vor dem strukturierten Essen und den regelmäßigen Mahlzeiten. Insbesondere das warme Mittagessen und die Integration von „verbotenen“ Lebensmitteln machte mir Angst. Doch mit der intensiven Unterstützung durch meine Therapeutin überwand ich mich und versuchte, das Ganze einfach als „Experiment“ anzusehen und es erst einmal auszuprobieren.
Es war zunächst schwer, das Sättigungsgefühl auszuhalten und unabhängig von allen negativen Gefühlen einfach regelmäßig zu essen. Die innere Zerissenheit war groß. Zum Einen wollte ich gesund werden und die Therapie sinnvoll nutzen, zum Anderen meldete sich immer wieder massiv die kranke Seite, die unbedingt wieder abnehmen und hungern wollte.
Aber ich dachte mir immer: "Zurück kannst Du hinterher immer noch, und schlimmer kann es wirklich nicht mehr werden."
In der intensiven Einzeltherapie bearbeiteten wir die individuellen Hintergründe der Essstörung, wie beispielsweise den Perfektionismus, die Eigenständigkeit oder das Selbstwertgefühl. Es war anstrengend, aber es war auch unheimlich effektiv und hilfreich. Ich habe neue Kenntnisse gewonnen, wie ich in Zukunft mit schwierigen Situationen umgehen kann. Das Therapiekonzept ist sehr auf Eigenverantwortlichkeit und Autonomie angelegt, was mir persönlich sehr geholfen hat. Es wird nichts angeordnet oder befohlen, vielmehr muss man sich immer selbst seine Therapieziele vor Augen führen und aus eigener Initiative tätig werden. Jedoch bekommt man hierbei intensive therapeutische Unterstützung und man hat es durch die Struktur und die geschützte Umgebung in der Klinik abseits vom gewohnten, oftmals stressigen Umfeld viel leichter.
Das außerordentlich freundliche und warmherzige Personal der Klinik, ihre zentrale Lage direkt in der Münsteraner Altstadt und der positive Kontakt mit den Mitpatienten hat darüber hinaus vieles enorm erleichtert und den Klinikalltag angenehm gestaltet. Insbesondere den Austausch mit Gleichgesinnten empfand ich als sehr entlastend und motivierend. Abgestimmt auf das jeweilige Störungsbild gibt es neben der einzeltherapeutischen Betreuung auch Gruppentherapieangebote wie beispielsweise die Kochgruppe, die Problemlösegruppe oder die Aktivierungsgruppe (Nordic Walking).
Ich habe in den 5 Wochen in der Klinik mein Essverhalten völlig stabilisieren bzw. normalisieren können und hatte von Beginn der Therapie bis heute keinen einzigen Rückfall, sprich Essanfälle oder Erbrechen. Langsam, aber stetig pendelt sich mein Gewicht wieder im Normalbereich ein. Auch von der Stimmung her geht es mir wesentlich besser und ich bin wieder viel aktiver geworden.
Ich habe das Gefühl, eine gehörige Portion Entspannung und Gelassenheit aus der Christoph-Dornier-Klinik mitgenommen zu haben. Vorher hätte ich niemals gedacht, dass ich der Therapie so viel erreichen würde. Ich bin der festen Überzeugung, mit dieser Therapie einen riesigen Schritt zu einem gesunden Leben ohne die Essstörung getan zu haben und ich will auf keinen Fall zurück. Die Therapie kostet zwar Kraft und ist anstrengend, aber es steht in keinem Verhältnis zu der Energie, die man sonst immer wieder in die Essstörung gesteckt hat.
Ich möchte mit diesem Erfahrungsbericht Betroffenen Mut machen und Euch raten, sich so früh wie möglich Hilfe zu holen. Ich wünschte, ich hätte es eher getan. Wenn man den festen Willen hat und innerlich bereit ist, kann man mit Hilfe effektiver therapeutischer Unterstützung die Krankheit besiegen. Ich persönlich bin sehr froh, mich zu dem Aufenthalt in der Christoph-Dornier-Klinik entschieden zu haben.
Weiblich, 32 Jahre, Diagnose: Bulimia nervosa
Über mich:
Mein Name ist Sabine, ich bin 32 Jahre alt und wohne im Schwarzwald. Seit 15 Jahren leide ich an Eßstörungen, erst an Magersucht und später dann an Bulimie. Schlank bzw. dünn zu sein, war all die Jahre lang mein Lebensinhalt und gleichbedeutend mit liebens- und achtenswert.
Jetzt, da ich nun, nach einer vierwöchigen Therapie in der Christoph-Dornier-Klinik in Münster, schon über zwei Monate symptomfrei lebe, möchte ich einen Erfahrungsbericht schreiben. Ich hoffe damit andere Betroffene dazu zu ermutigen, sich zu ihrer Bulimie zu bekennen und dagegen anzukämpfen.
Ich kann nur empfehlen, auch wenn jemand schon sehr lange krank ist, in eine Klinik zu gehen und eine Therapie zu machen. Denn nur so lernt man wieder leben und fühlen , etwas was durch die Eßstörung verloren gegangen ist.
Zur Vorgeschichte:
Bis zu meinem 17. Lebensjahr hatte ich eine relativ problemlose Kindheit und Jugend.
Ich wuchs mit meinem älteren Bruder und meiner jüngeren Schwester im elterlichen Hotelbetrieb auf. Da es sich um einen Familienbetrieb handelt, arbeiteten meine Eltern sehr viel. Trotzdem fühlten wir Kinder uns nicht vernachlässigt.
Im Gegenteil, wir hatten eine sehr schöne Kindheit, da wir uns sehr viel erlauben konnten. Ich spielte Klavier und Orgel, ging zur Reitstunde, spielte Tennis, war eine talentierte Leichtathletin und sang in einem Jugendchor. In der Schule hatte ich nie Probleme und überhaupt wollte ich meinen Eltern so wenig Sorgen wie möglich machen. Wenn ich Probleme hatte, versuchte ich sie alleine zu lösen.
In meinem Leben sollte möglichst alles perfekt sein. Ich wollte die Beste im Sport sein, in meiner Schulklasse und vor allem wollte ich besser als meine Geschwister sein. Mein Eltern sollten stolz auf mich sein und ich versuchte in allen Bereichen ihren hohen Ansprüchen zu entsprechen.
Mit 17 Jahren fand ich dann plötzlich meine Figur nicht mehr perfekt. Immer öfter verglich ich mich mit den Models in den Zeitschriften und fand, daß ich dicker war als sie. Ich hatte damals eine sportliche Figur und etwa 60 kg bei einer Körpergröße von 1,73m.
Ich entschloß mich also zu einer Diät, um eine "perfekte" Figur zu bekommen. Und da ich nun mal alles was ich mache, richtig mache, aß ich fast gar nichts und trieb mehrere Stunden am Tag Sport. So nahm ich innerhalb von einer Woche 5 kg ab und ich war mächtig stolz auf mich.
Krankheitsverlauf:
Von da an, hatte ich mein natürliches Eßverhalten verloren. Ich verbot mir immer mehr Lebensmittel. Ich erlaubte mir nur noch "gute", kalorienarme Nahrungsmittel und ich mied alle "bösen", kalorienreiche Nahrungsmittel.
Obwohl ich eigentlich mein Wunschgewicht längst erreicht hatte, aß ich weiterhin sehr restriktiv, so daß ich weiter abnahm. Ich begann mich ständig zu wiegen und jede Gewichtsabnahme war ein Sieg für mich. Es gab mir Bestätigung, Stärke und ich fühlte mich als etwas Besonderes. Ich konnte es nicht ertragen auch nur ein Gramm zuzunehmen. Gleichbleiben oder zunehmen bedeutete für mich Mißerfolg, Unzufriedenheit und Schuldgefühle.
Meine sportlichen Leistungen wurden schlechter und meine Menstruation blieb aus. Doch wie wichtig konnte dies schon sein, im Vergleich zu einer "perfekten" Figur.
Obwohl meine Gedanken nur ums Essen und Nicht-Essen kreisten, schaffte ich mein Abitur problemlos und begann eine Lehre als Hotelfachfrau.
Dazu zog ich von zu Hause aus und lebte von nun an in meiner eigenen Wohnung. Niemand bemerkte dort wie wenig ich aß und so nahm ich bis auf 40 kg ab. Zu dieser Zeit hatte ich auch meine ersten Heißhungerattacken. Wenn ich an meinen freien Tagen nach Hause ins elterliche Hotel fuhr und dort all die leckeren Lebensmittel sah, konnte ich mich nicht mehr beherrschen und hatte unkontrollierte Eßanfälle, wobei ich alles in mich hineinstopfte was ich mir die ganze Zeit über verbot. Und um all diese unerlaubten Kalorien wieder loszuwerden, übergab ich mich danach heimlich.
Anfangs kam dies nur sehr selten vor, später erbrach ich fast nach jeder Mahlzeit und hatte immer häufiger Eßanfälle.
Ich schämte mich fürchterlich für mein Verhalten, aber die Angst vor einer Gewichtszunahme war so groß, daß ich keinen anderen Ausweg sah.
Als ich nach meiner Lehre wieder zu Hause lebte, wurde alles noch viel schlimmer. Ich hatte oft mehrere Eßanfälle täglich und zog mich immer mehr zurück. Zu meinen Freunden und Bekannten hatte ich kaum noch Kontakt und ich verlor das Interesse an allen Dingen. Alles womit ich mich beschäftigte, war mein Gewicht und meine Figur, die eine entscheidende Bedeutung für mein Selbstwertgefühl hatte.
Der Streß und andere Belastungen durch die Arbeit im Familienbetrieb begünstigten zwar das Auftreten von Eßanfällen, trotzdem glaube ich meine Aufgaben im Berufsalltag weitgehend gut gemeistert zu haben.
Und auch mein 2-jähriger Besuch der Fachschule für Hotelbetriebswirtschaft war sehr erfolgreich. Ich schnitt als einer der besten Hotelbetriebswirte ab. Meinen Perfektionismus hatte ich trotz meiner Krankheit nicht verloren. Die Bulimie und meine Arbeit raubte alle meine Kräfte. Verständlich, daß ich für alle zwischenmenschlichen Kontakte keine Nerven und Gedanken hatte. Daran lag es wahrscheinlich, daß keine meiner Beziehungen sehr intensiv war. Ich konnte zu viel Nähe nicht ertragen und auch nur schwer meine Gefühle zeigen. Außerdem schämte ich mich wegen meiner Krankheit so sehr, daß ich mit niemandem zusammenleben wollte.
Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß jemand mich liebt, weil ich mich selbst so haßte.
Da ich zu Hause zusammen mit meinen Eltern und meiner Schwester lebte, war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand mich erwischte und erkannte, was mit mir los war.
So kam es dann und meine Mutter fing an sich über Eßstörungen zu informieren. Sie war es auch, die mich zu einer Therapie ermutigte. So machte ich in den kommenden Jahren mehrere ambulante Therapien, allerdings ohne merklichen Erfolg. Nur mein Gewicht stieg langsam wieder auf 50 kg.
Inzwischen wurde meine depressive Stimmung immer schlimmer. Ich litt unter Schuldgefühlen, Unsicherheit, Unausgeglichenheit, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Angst und starken Selbstwertproblemen.
Ich war ständig erschöpft und müde, alles fiel mir zunehmend schwerer. Es kam immer häufiger zu Heißhungeranfällen, denen ich mich hilflos ausgeliefert fühlte. Das Essen und Erbrechen stand wie eine unsichtbare Wand zwischen mir und dem Leben. Es hinderte mich daran, das Leben zu genießen, aber es war zugleich auch ein Schutz vor Problemen in anderen Lebensbereichen, die ich ignorierte, da ja das Erreichen und Erhalten einer schlanken Figur mein Lebensinhalt war.
Einerseits waren die Eßanfälle eine Art Ventil, ein Versuch, Ängste, depressive Verstimmungen, Streß und Spannung zu verarbeiten, andererseits verstärkten sich danach meine Schuldgefühle und mein mangelndes Selbstwertgefühl. Es erschien mir mit jedem Tag unmöglicher aus diesem Teufelskreis jemals wieder heraus zu kommen.
Gerade als ich mich in einem absoluten, seelischem Tief befand und keinen Sinn in meinem Leben mehr sah, lernte ich meinen jetzigen Lebensgefährten und zukünftigen Ehemann kennen. Vor ihm hatte ich von Anfang an keine Geheimnisse und er half mir wo immer er konnte. Endlich hatte ich einmal das Gefühl, daß mich jemand wirklich liebte und brauchte. So bekam mein Leben dann langsam wieder einen Sinn und meine Stimmung wurde besser. Ich entschloß dann auch, gegen meine Krankheit anzukämpfen. Ich hatte ja nun etwas, wofür es sich zu kämpfen und zu leben lohnte.
Durch meine gescheiterten Therapieversuche war ich natürlich etwas entmutigt, doch ich wußte auch, daß ich es alleine nicht schaffen würde gesund zu werden.
Nach langem Suchen, fand ich dann eine Verhaltenstherapeutin, mit der ich gut reden konnte und die mir auch einige gute Tips gab. Doch eine Stunde in der Woche war letztendlich nicht genug. Sobald ich mich wieder im Alltag befand, fiel es mir schwer, das neu erlernte Verhalten beizubehalten. Die Häufigkeit meiner Eßanfälle ging deshalb auch nur unwesentlich zurück. Insgesamt ging es mit meiner Stimmung allerdings etwas bergauf und ich lernte mein bald erreichtes Gewicht von 54 kg zu akzeptieren. Ich begann zu hoffen, meine Eßstörung vielleicht doch einmal besiegen zu können. So verging ein weiteres Jahr ohne merkliche Veränderung. Ich war zwar nicht mehr auf dem Tiefpunkt meiner "Bulimie-Karriere", doch irgendwie ging es auch nicht aufwärts.
Vor etwa einem Jahr sah dann mein Bruder einen Bericht über die Christoph-Dornier-Klinik im Fernsehen. Er war es dann auch, der zusammen mit meiner Mutter auf mich einredete, mich über diese Klinik zu informieren. Ich war anfangs skeptisch, da ich schon vor 4 Jahren Erfahrungen mit einer stationären Therapie gemacht hatte. Damals hatte ich diese nach einer Woche abgebrochen, da ich mich mit 27 Jahren nicht wie ein kleines Kind behandeln lassen wollte und ich einsah, daß das dortige Therapiekonzept, mit sehr viel Gruppentherapie und Bewegungs- und Gestaltungstherapie, mir nichts brachte.
Als ich mich dann über die Christoph-Dornier-Klinik informierte, war ich erstaunt wie logisch und einleuchtend mir deren Vorgehensweise erschien. Ich hatte das Gefühl, daß dieser Therapieplan genau richtig für mich war und mir vielleicht wirklich helfen konnte.
So füllte ich dann den Eingangsfragebogen aus und schickte ihn an die Klinik. Zwischen meinem Diagnostiktag und dem Beginn der Therapie lag fast ein halbes Jahr, da es für mich wegen unseres Hotelbetriebs zeitlich nicht früher möglich war.
So hatte ich dann auch genügend Zeit mich auf die Therapie vorzubereiten. Das war es vielleicht auch, was die Therapie, trotz meiner langen Krankengeschichte, bei mir so erfolgreich machte.Ich wußte ganz genau was auf mich zukam und ich wußte vor allem, was ich wollte. Ich wollte gesund werden und wieder normal leben.
Therapie:
In der Therapie lernte ich erst einmal wieder normal essen. Denn es bestand bei mir trotz meines ausgeprägten Wissens über Ernährung eine extreme Unsicherheit im Hinblick auf eine angemessene Häufigkeit und Menge der täglichen Nahrung. Ich mußte einsehen, daß der einzige Ausweg aus dem Teufelskreis der Bulimie, von mir viel Mut und Kraft verlangte. Denn ich mußte einen ersten Gewichtsanstieg in Kauf nehmen und eine Zeitlang eine ausreichende Nahrungsmenge essen, bis sich die körperlichen Anpassungsprozesse zurückgebildet hatten und sich mein Körper wieder an die Aufnahme normaler Nahrungsmengen angepaßt hatte. Da ich dies anhand von Kalorientabellen genau kontrollierte (2200kcal) gelang es mir auch die Nerven zu behalten und die Angst zu besiegen.
Ich wurde mit meinen "verbotenen" Lebensmitteln konfrontiert und so aß ich nach und nach alle Dinge meiner "schwarzen Liste", die ich üblicherweise meiden würde und die ich als problematisch empfand.
Ein weiterer Schritt war die Aufdeckung und Infragestellung all meiner Gedanken, Überzeugungen und Werthaltungen, die mein Eßverhalten begründeten und aufrechterhielten. Ich lernte meine Gefühle wieder wahrzunehmen und sie zum Ausdruck zu bringen.
Mein Körpergefühl verbesserte sich und damit auch mein Selbstwertgefühl. Durch Spiegelübungen und Videoaufnahmen lernte ich meinen Körper bewußt zu spüren und wahrzunehmen.
Außerdem wurden Themen behandelt, wie Streßbewältigung und Entspannung, Fordern und Ablehnen, Perfektionismus und Leistungsdruck. Alles Dinge, die ich in Zusammenhang mit meiner Bulimie brachte. Ich fand Wege und Möglichkeiten, Probleme anders zu lösen, als durch Essen und Erbrechen.
Im Verlauf der Therapie veränderte ich nicht nur mein Eßverhalten, sondern auch mein Wahrnehmungs-, Denk- und Beurteilungsmuster.
Der stationäre Klinikaufenthalt, war eine Chance für mich, eine Zeitlang aus den täglichen festgefahrenen Ritualen herauszukommen und so mein schädliches Verhalten zu unterbrechen. Verständlich daher auch meine Angst nach dem Klinikaufenthalt und dem dort erlernten Verhalten und angeregten Veränderungen, nach vier Wochen wieder in den Alltag zurückzukehren. Ich war mir nicht sicher, ob ich dort mein neues Verhalten beibehalten konnte, oder ob ich durch die gewohnte Umgebung und die alten Probleme wieder in die Bulimie zurückfallen würde.
So entschlossen meine Therapeutin und ich, daß ich das letzte Wochenende zu Hause verbrachte und ich dann noch eine Woche hatte, um über die dort aufgetretenen Schwierigkeiten zu reden. Da dieses Testwochenende für mich sehr erfolgreich verlief und ich das Gefühl hatte, auch zu Hause nun normal und ohne Eßanfälle leben zu können, fuhr ich dann nach vierwöchiger Therapie mit sehr viel weniger Angst und mit großer Hoffnung auf eine gesunde und glückliche Zukunft nach Hause.
Nach dem Klinikaufenthalt:
In den nächsten sechs Wochen telefonierte ich noch wöchentlich mit meiner Therapeutin, so daß ich über derzeitige Probleme und Schwierigkeiten sprechen konnte. Das war anfangs im Berufsalltag sehr wichtig für mich.
Jetzt nach über zwei Monaten lebe ich immer noch "symptomfrei" und mein neu erlerntes, "normales" Eßverhalten wird für mich immer leichter und gewohnter.
Natürlich habe ich mit dem Kalorienzählen noch nicht ganz aufgehört, aber ich merke, daß es immer unwichtiger wird, genau wie mein Gewicht, das sich so langsam bei 60kg einpendelt.
Ich habe das Gefühl nun endlich zu leben und meine Energie und Zeit gebrauche ich jetzt für wichtigere Dinge, als damit, gegen die Bulimie anzukämpfen oder die Symptome der Bulimie auszuleben und hinterher wieder "ungeschehen" zu machen.
Das Essen macht mir endlich wieder Spaß und ich kann es genießen. Ich versuche es, als das anzusehen, was es im Grunde auch ist, eine Handlung, die das Leben bejaht und nicht ein Mittel zur Selbstzerstörung.
Ich weiß, das der Weg zur endgültigen Heilung sehr lange ist, aber er ist auch aufregend und spannend. Und ich weiß nun, daß es sich lohnt, das Überessen und Hungern gegen das Leben einzutauschen. Mit viel Kraft und starkem Willen kann man sich aus dem selbst geschaffenen Gefängnis der Eßstörung befreien.
Danksagung:
Auf meinem Weg aus der Bulimie haben mich einige Personen auf ganz unterschiedliche Weise unterstützt. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken!
Bei meiner Mutter, die nie aufgehört hat an mich zu glauben und mich dazu zu ermutigen, Hilfe durch eine Therapie zu suchen und bei meinem Freund, der mir neuen Lebensmut und –freude gab, mir nie Vorwürfe und Schuldgefühle machte und immer für mich da war.
Großen Dank natürlich allen Mitarbeitern der Christoph-Dornier-Klinik, die mir den Aufenthalt so leicht und angenehm gemacht haben und ganz besonders meiner dortigen Therapeutin, die mir half mein Leben in eine neue Richtung zu lenken, so daß ich wieder mit Freude und ohne Angst essen kann. Ich konnte ihr vertrauen und sie hat mich auf dem schwierigsten Teil des Weges zur Heilung begleitet und mir beigestanden.
Zum Schluß noch ein Appell an die Krankenkassen!
Da keine Versorgungsverträge zwischen der Christoph-Dornier-Klinik und den Kostenträgern der gesetzlichen Gesundheitsfürsorge existieren, besteht kein Rechtsanspruch auf die Übernahme der Behandlungskosten. Trotzdem hoffe ich, daß es vielen Betroffenen ermöglicht wird, eine Therapie in der Christoph-Dornier-Klinik zu machen, da ich der Meinung bin, dies ist ein Therapiekonzept, daß vielen Bulimikern helfen kann, auch wenn andere Therapieversuche vergeblich waren, so wie bei mir. Mir war es zum Dank finanziell möglich, die Therapie zu machen, obwohl mir die Krankenkasse nur einen kleinen Teil der Behandlungskosten zurückerstattet hat, doch bei vielen Betroffenen ist dies sicherlich nicht möglich. Deshalb meine Bitte an die Mitarbeiter der Krankenkassen, es den Patienten nicht so schwer zu machen, im Kampf um eine Therapie in der Christoph-Dornier-Klinik.
Denn dies ist sicherlich für viele eine echte Chance gesund zu werden!
Traumafolgestörungen
Weiblich, 34 Jahre, Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung
Eigentlich dachte ich immer, dass mein Leben einigermaßen normal verlief. Klar hatte ich Probleme mit meinen Eltern (besonders mit meinem Vater) in meiner Kindheit und es herrschten noch Unklarheiten über möglichen sexuellen Missbrauch.
Aber aus diesen Gründen hatte ich bereits mit 20 Jahren während meines Studiums eine Therapie gemacht und dachte, ich sei ziemlich darüber weg. Und wer hat schon gar keine Probleme? Ich redete mir ein, dass das Leben nun mal nicht immer einfach ist.
Dann kamen im Erwachsenenalter immer wieder schwerwiegende Schicksalsschläge, die zwar sehr schmerzhaft, aber für mich doch noch zu meistern waren. Darauf war ich sogar stolz!
Meine Freunde sagten mir, ich sei wie ein Stehaufmännchen, das immer wieder hochspringt, egal was passiert. Als ich eine lebensbedrohliche Situation meines damaligen Mannes erlebte, dachte ich zum ersten Mal, dass ich nun bestimmt eine Depression bekäme, so schlimm war es, das mitzuerleben. Selbst das hatte ich aber nach einigen Wochen offenbar ohne richtigen Schaden "überwunden". Ca. ein halbes Jahr danach kam aber ein traumatisches Erlebnis mit einem langjährigen Arbeitskollegen, das mich in eine Art Schock versetzte, weil er mich ohne Grund emotional angriff. Ich fand es schon schwierig, darüber weg zu kommen, aber dachte mit Optimismus, "Das schaffe ich auch noch!"
In den Monaten danach begannen jedoch komische Situationen vorzukommen. Ich wurde plötzlich generell unbelastbarer. Vor allem fing ich an, ganz intensiv (negativ) auf bestimmte Situationen zu reagieren. Wenn ich mich z.B. von meinem neuen Freund (jetzigen Mann) verabschieden musste, reagierte ich ganz ängstlich. Ich dachte oft ganz ohne Grund, er wolle mich verlassen oder im Stich lassen. Es kamen mir auch zeitweise Bilder von den Männern, die mich in meinem Leben verletzt hatten, ungewollt in den Kopf; diese Bilder und ihre plötzliches Erscheinen belasteten mich sehr. Manchmal spürte ich richtig Terror, fühlte mich von ihm plötzlich bedroht und wollte mich vor ihm verstecken oder schrie ihn gar an, obwohl ich eine wirklich sehr ruhige Person bin. Es war so, als sei ich in bestimmten Situationen gar nicht mehr ich selbst, sondern ziemlich weggetreten und verwirrt und realitätsfremd. (Im nachhinein habe ich erfahren, dass das traumabedingte "Flashbacks" waren.) Mein Mann war damals völlig verwirrt und ich natürlich auch. Gerade die dissoziiative Flashbacks passierten halt nur in Zusammenhang mit ihm als enge männliche Vertrauensperson und sonst gar nicht.
Dazu kam, dass ich zunehmend unter Alpträumen litt, die mir so wahr vorkamen, dass ich mich beim Aufwachen von den Träumen richtig bedroht fühlte. Manchmal dachte ich, das sei wirklich passiert und musste mich dann bewusst überzeugen, dass es nur ein Traum und keine Wirklichkeit war.
Gleichzeitig kam ich, obwohl ich eine sehr offene und spontane Person bin, immer schlechter mit plötzlichen Änderungen zum Beispiel von Plänen oder Abmachungen klar. Auch plötzliche Geräusche und Bewegungen vermittelten mir ein Gefühl von Bedrohung. Ich zog mich zunehmend von anderen Menschen zurück, ging nicht mehr gern ans Telefon, usw. Das kam mir alles so seltsam vor, weil ich bisher nie mit so was Probleme gehabt hatte.
Ich dachte, ich hätte halt doch zu viel Stress gehabt und dass viel Ruhe alles besser machen werde. Ich war damals selbstständig und hatte ein Arbeitsprojekt abgeschlossen; ich habe mir dann extra ein paar Monate Ruhe gegönnt und wurde Vollzeit-Hausfrau (meine Kinder sind in der Grundschule).
Leider wurden die Symptome jedoch trotz der Ruhe und Entspannung sogar schlimmer. Diese Flashback-Zustände wurden immer häufiger und intensiver ebenso wie die Alpträume.
Ein allgemeines Gefühl von Bedrohung wurde zunehmend präsenter. Meine Schreckhaftigkeit bei plötzlichen Geräuschen usw. war auch noch ausgeprägter. So wurde ich um meine Gesundheit richtig besorgt. Ich schämte mich aber, meinen Freunden die Symptome mitzuteilen, weil es sich völlig verrückt anhören würde, jemandem zu erzählen, dass ich z.B. regelmäßig versuchte mich vor meinem Mann zu verstecken!
Endlich berichtete ich einem Arzt verzweifelt weinend von den Symptomen und er sagte mir, dass ich eine Posttraumatische Belastungsstörung hätte, was mich ehrlich gesagt damals völlig überraschte. Ich kannte wohl die Störung, aber nur von Veteranen, z.B. aus dem Vietnam-Krieg. Mir war gar nicht bewusst, dass Zivilisten oder Nicht-Gefangene diese Störung entwickeln können! Ich besorgte mir sofort Fachbücher zu dem Thema und mein Mann und ich fingen fleißig an zu lesen. Wie erleichternd es war, dass die Symptome einen Zusammenhang und einen Namen hatten! Ich las bestimmt 4 Experten-Bücher darüber und alle behaupteten, dass eine Trauma-Konfrontation notwendig für die Heilung sei, besonders wenn man die Symptome mehr als 3 Monate gehabt habe - da hatte ich sie schon 1½ Jahre.
Mir war klar, dass es wohl schwierig sein würde, die Trauma-Konfrontation in einer wöchentlichen Therapie unterzubringen, einfach wegen der begrenzten Zeit. Allerdings war ich erst nicht bereit, in eine Klinik zu gehen, weil ich nicht von meinen Kindern getrennt sein wollte. Nur die stetige Chronifizierung der Symptome führte mich dazu eine Klinik aufzusuchen. Auf die Christoph-Dornier-Klinik stieß ich bei Internet-Recherchen und war zuerst von den ausführlichen und guten Fachinformationen beeindruckt. Ich verglich das natürlich mit meinem Wissen aus den PTB-Büchern und sah, dass dort ganz ähnliche Therapiewege beschrieben waren. So forderte ich Informationen an und fuhr zum Diagnostik-Tag nach Münster, um mich näher zu informieren.
Das war vor über einem Jahr, und seit der Zeit habe ich 3 Abschnitte in der Klinik absolviert, insgesamt 13 Therapiewochen. Zuerst führten wir eine "Stabilisierung" durch, damit ich stark genug war, die Anforderungen der Trauma-Konfrontationsarbeit zu bewältigen. Ich lernte die Auslöser für die Flashback-Zustände zu erkennen, und mein Mann und ich lernten Wege mich aus diesen Zuständen zur gefahrlosen Realität "zurück zu holen". Ich übte Beruhigungstechniken um meine allgemeine Anspannung zu senken, um mich sicherer zu fühlen. Ich lernte meine Gefühle besser einzuschätzen um Auslöser besser zu ertragen, ohne in einem Flashback dissoziieren zu müssen. Danach, im zweiten und dritten Abschnitt, konfrontierten wir die Traumata, indem ich versuchte trotz einiger Gedächtnislücken mich zu erinnern und die bedrohliche Gefühle bei der Erinnerung auszuhalten. Ich habe mich immer, immer wieder erinnern müssen.
Obwohl es doch schwierig und anstrengend war, fühlte ich mich stark von meiner Therapeutin unterstützt, also nie unter Druck gesetzt, und konnte immer langsam weiter machen, bis die Erinnerungen durch Repetition und Habituation weniger bedrohlich wurden.
Nun kann ich sogar über die traumatischen Situationen in meiner Vergangenheit reden und empfinde dabei nur eine Unbehaglichkeit statt eines Terrorgefühls. Auch die Anzahl der Auslöser ist stark zurück gegangen. Die Flashbacks habe ich weitgehend unter Kontrolle. Wenn ein Bild vom Trauma kommt, kann ich es loslassen oder "überschreiben", ohne dass ich mich von dem Bild "verfolgt" fühle. Da mein Fall mit mehr als einem Trauma komplex ist, werden die Symptome vielleicht nie 100-%ig verschwinden, aber durch die Arbeit in der Klinik habe ich gelernt, sie auf ein Minimum zu reduzieren um ein möglichst normales Leben zu führen.
Männlich, 52 Jahre, Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung
Ich mußte 52 Jahre alt werden um zu begreifen, dass ich dringend Hilfe benötige.
Seit Jahren fühlte ich mich – mal mehr, mal weniger – antriebslos, reizbar, empfindlich und verlor immer mehr die Lust an Dingen, die mir früher Spaß machten und wichtig für mich waren. Ich zog mich immer mehr zurück und vernachlässigte meine sozialen Kontakte nahezu vollständig. Im Umgang mit Außenstehenden spielte ich den Starken, was mir auch nahezu immer bestätigt wurde. War ich dann aber wieder bei meiner Familie, fiel die Fassade und ich war ein anderer Mensch. Ich fühlte mich, als ob nur noch meine Hülle da ist. Ich stellte mich „tot“, um möglichst niemanden an mich heran zu lassen. Natürlich litt unter dieser schleichenden Entwicklung auch die Beziehung zu meiner Frau und meinen Kindern.
Meine Frau riet mir schon seit Jahren, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auf diesen Ratschlag reagierte ich sehr gereizt und fühlte mich persönlich angegriffen. Für mich war dieser Hinweis meiner Frau immer eine unberechtigte Kritik an meiner Person und mein Selbstwertgefühl litt sehr darunter.
Aber irgendwann kam dann der Tag, an dem ich mich selber nicht mehr belügen konnte. Ich war schon seit Wochen stark depressiv und nicht mehr in der Lage, meinen Alltag mit Familie und Beruf durchzustehen. Um den „Druck“ für mich selbst zu erhöhen teilte ich meiner Frau mit, dass ich mich mit meinen Problemen an meine Ärztin wenden wolle. Diese Entscheidung war für mich rückblickend betrachte der schwierigste und wichtigste Schritt.
Mit viel „Kribbeln“ im Bauch und voller Anspannung fuhr ich dann in die Praxis und schilderte meiner Hausärztin die Situation und meine Gefühlslage. Diese überwies mich umgehend an einen Neurologen und Psychologen, der eine schwere Depression diagnostizierte. Schon nach wenigen Gesprächen riet er mir zu einer stationären Therapie. Ich bin vom ersten Tag an offen mit meinem persönlichen Umfeld in Bezug auf meine Probleme umgegangen. Ich brauchte mich nicht mehr zu verstellen und konnte mich so ganz auf meine Therapie konzentrieren.
Durch intensive Recherchen im Internet kam ich auf die Christoph-Dornier-Klinik in Münster. Das Konzept überzeugte mich und ich wurde zu einem Gespräch vor Ort eingeladen. Hierbei ergaben sich die ersten Hinweise auf posttraumatische Belastungsstörungen und ich bekam einen Aufnahmetermin.
Für mich war das Thema „Psychotherapie“ absolutes Neuland. Ich hatte aber den festen Vorsatz, mich auf die Therapie einzulassen und von meiner Seite aus alles zum erfolgreichen Gelingen beizutragen.
Und so wartete ich voller Anspannung und mit riesigem Kribbeln in der Magengegend auf die erste Therapiestunde. Nach einer kurzen „Aufwärmphase“ konnten wir schon am 2. Tag sehr intensiv einsteigen und uns meinem Trauma annähern. Dieses war nur möglich, weil ich nach dem ersten Kennenlernen absolutes Vertrauen zu meiner Therapeutin hatte und mein „Bauchgefühl“ (ist sehr wichtig für mich) von Anfang an stimmte. Mit sehr intensiver gemeinsamer Arbeit, bei der meine Therapeutin immer eine Stütze für mich war, erstellten wir in den nächsten Tagen eine Auflistung von „Triggern“, die mich an bestimmte Situationen und Personen erinnern sowie eine „Traumalandkarte“, mit der ich eine Struktur in die mich belastenden Traumata bekam. Ich konnte dadurch meine damaligen Gefühle und Empfindungen erkennen, zuordnen und diese dann mit meinen heutigen in Verbindung bringen und vergleichen. Diese Stunden und Tage waren sehr intensiv und mit vielen Emotionen verbunden, was für mich eine ganz neue Erfahrung war. Ich fühlte mich aber immer sicher und hatte auch das Vertrauen, diese Emotionen zuzulassen.
Nachdem ich Klarheit bezüglich meiner traumatischen Belastungsstörungen hatte begannen wir mit der Konfrontationsphase. Hierbei durchlebte ich eine besonders belastende Situation in meiner Phantasie mehrfach durch. Gerade in diesen sehr intensiven Phasen fühlte ich mich immer sehr sicher und hatte absolutes Vertrauen zu meiner Therapeutin. Ohne dieses Gefühl hätte ich mich auf dieses für mich gewaltige Erlebnis nicht einlassen können.
Dieses „Wiedererleben“ war teilweise so intensiv, dass ich neben den enormen Emotionen wie Trauer, Hilflosigkeit, Angst auch körperliche Reaktionen aus der damaligen Zeit wieder spürte.
Ich konnte mit Erstaunen feststellen, wie sich bei jedem erneuten „Wiedererleben“ meine Gefühle und Empfindungen veränderten (von damaliger Angst, Hilflosigkeit, Trauer zu heutigem Mitleid mit dem „Jungen“ von damals und dem starken Bedürfnis, diesem Kind zu helfen).
Dieses „Helfen des Kindes“ durchlebte ich anschließend auch in meiner Phantasie, was ein tolles und beeindruckendes Ereignis war und mir sehr geholfen hat, das Erlebte zu verarbeiten und damit heute umzugehen.
Ich habe insgesamt 11 Wochen (1. Phase 8 Wochen mit anschließendem Intervall von 3 Wochen) in der Christoph-Dornier-Klinik verbracht. Es war eine sehr intensive und sowohl psychisch als auch physisch äußerst anstrengende Zeit, die ich aber nicht mehr missen möchte. Ich habe mir gemeinsam mit meiner Therapeutin eine neue Sicht auf mich, meine Person und mein Trauma erarbeitet. Mir ist natürlich klar, dass die wirkliche Umsetzung des Erarbeiteten er jetzt beginnt, aber ich habe eine gute Basis, auf der ich aufbauen kann.
Zwangserkrankungen
Weiblich, 25 Jahre, Diagnose: Zwangsstörung
Die Entscheidung zu einer stationären Behandlung war wohl eine der schwierigsten, aber im Nachhinein die beste Entscheidung meines Lebens.
Ich litt seit langer Zeit unter extrem starken Zwängen. Hauptsächlich unter Wasch- und Kontrollzwängen. Quälende Zwangsgedanken kamen auch immer wieder hinzu. Daraus resultierte letztendlich eine depressive Phase. Ich hatte mich eigentlich komplett isoliert.
Ende Oktober kam ich zu der bitteren Erkenntnis, dass ich was meinen psychischen und körperlichen Zustand angeht ganz unten angekommen war. Ich war verzweifelt, wusste nicht, wie es jemals wieder anders werden sollte. Hatte keine Ahnung, ob meine Rituale, meine Schutzmechanismen, all meine Gedankengänge mich jemals wieder ein normales Leben führen lassen würden.
Ich war nur noch geleitet von meinem Zwang. Wie eine Marionette. Ich ließ mich krankschreiben, da ich nicht mehr in der Lage war zu arbeiten. Ehrlich gesagt habe ich zum Schluss fast mehr Zeit am Waschbecken, als an meinem Schreibtisch verbracht.
Ich war zutiefst unglücklich mit meinem Leben und auch wenn ich nie lebensmüde Gedanken hatte, empfand ich mein Leben so wie es war absolut nicht mehr lebenswert. Ich bin jeden Abend erschöpft ins Bett gefallen, mit schmerzenden und rissigen Händen und Unterarmen. Hände waschen bedeutete bei mir mindestens bis zu den Ellbogen und manchmal sogar bis hoch zu den Achseln und das MEHRMALS hintereinander. Ich lebte in meiner ganz eigenen „Ekelwelt“.
Ich entschied, dass ich nicht mehr länger dabei zusehen kann, wie es mir immer schlechter geht. Meine Eltern waren ebenfalls verzweifelt und sehr besorgt. Meine Eltern, meine jüngere Schwester und mein Freund mussten neben mir am meisten unter meinem Zwang leiden. Sie wurden in alle zwanghaften Vorgänge mit eingebunden. Wenn sie sich dem widersetzten, wurde ich stinksauer. Ich weiß, dass das alles durch meinen Zwang hervorgerufen wurde, aber irgendwann können auch Familie und Partner trotz aller Liebe nicht mehr. Meine Eltern schlugen mir daher einen Klinikaufenthalt vor. Ich habe mich immer mit Händen und Füßen dagegen gewehrt.
Zu groß war die Angst vor der Intensität einer solchen Therapie und vor der langen Zeit weg von zu Hause. Trotzdem entschied ich mich eines Abends dazu, beim Beratungstelefon der Christoph-Dornier-Klinik anzurufen.
Ich habe dort mit einer super lieben Therapeutin gesprochen, die sehr verständnisvoll war und mir das Gefühl gab, dass ich bereits mit meinem Anruf den ersten richtigen Schritt gemacht hätte, im Kampf gegen meinen Zwang.
Ich füllte daraufhin den Eingangsfragebogen aus. Bereits ein paar Tage später rief mich ein Therapeut an um einen Termin für ein Erstgespräch vor Ort mit mir zu vereinbaren. Ich muss dazu sagen, dass ich schon während meiner Kindheit und Jugendzeit mehrfach in einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung war und daher weiß, dass ich mich einer Frau gegenüber wesentlich besser anvertrauen kann.
Als ich dies der CDK mitteilte, wurde mein Wunsch sehr verständnisvoll entgegengenommen und mir wurde dann ein Erstgespräch bei einer Therapeutin ermöglicht. Ich fühlte mich bereits bei meinem Erstgespräch sehr wohl und hatte das Gefühl, dass ich mit der Therapeutin gut reden konnte. Sie war verständnisvoll und sehr sympathisch. Des Weiteren fand ich es toll, dass ich im Rahmen des Erstgesprächs schon mal einen kurzen Einblick in die Klinik bekommen konnte. Ich muss sagen, dass ich wirklich positiv überrascht war. Es hat überhaupt nicht den Charakter einer Klinik. Auf mich wirkte es auf Anhieb sehr familiär und farbenfroh. Alle waren super nett und ich würde sagen, das Durchschnittsalter der Patienten lag zu dem Zeitpunkt zwischen 20 und 30.
Nach ein paar Tagen Bedenkzeit, entschied ich mich dann final für den sechswöchigen Klinikaufenthalt in der CDK. Da ich von der Therapeutin aus dem Erstgespräch wirklich sehr überzeugt war, sprach ich den Wunsch aus, auch während der Behandlungszeit dieser Therapeutin zugeteilt zu werden. Mein Wunsch wurde berücksichtigt und bereits Anfang Januar sollte es losgehen.
Meine Aufregung wuchs von Tag zu Tag. Vor dem Klinikaufenthalt galt es noch einige Fragebögen und ein Zwangstagebuch auszufüllen. Ich muss sagen, dass mir hierbei wieder einmal mein Perfektionismus in die Quere kam, der mich ziemlich unter Druck gesetzt hat.
Alle Zwänge eines Tages zu dokumentieren, war aber auch eine echte Herausforderung. Im Nachhinein muss ich sagen, dass diese Vorbereitung sehr wichtig war. Auch wenn man nicht alles perfekt aufschreibt und dokumentiert, gibt es den Therapeuten doch sehr schnell einen Überblick über das Störungsbild und die häufigsten Vermeidungsstrategien.
Als ich gemeinsam mit meinem Freund in der Klinik anreiste, war ich fast gelähmt vor Nervosität. Ich wurde aber super lieb empfangen und mein Freund durfte die erste Nacht gemeinsam mit mir in der Klinik verbringen, was mir den Start etwas erleichterte. Am nächsten Tag ging es dann mit den Einzeltherapiestunden los. Ich war zunächst überrascht, dass diese auf dem Patientenzimmer stattfinden, muss aber heute sagen, dass ich diese Methode sehr gut finde. Die Therapeuten bekommen auch dadurch noch mal eine andere Art von Einblick in das „Leben“ des Patienten.
Häufig beziehen sich Zwänge ja auch auf das Wohnungsumfeld. Es gibt „Schutzzonen“ und bestimmte standardisierte Abläufe. Die Konfrontationsübungen können somit direkt im „Wohnraum“ durchgeführt werden und ich hatte das Gefühl, dass ich mich besser mit den Gesprächen identifizieren und daran zurückerinnern konnte, grade weil diese in meinem Zimmer stattfanden. In einem unabhängigen Raum erscheinen mir Gespräche manchmal ferner von der Realität. In der ersten Woche ging es noch viel ums Kennenlernen.
Meine Therapeutin und ich haben viel geredet, sind meine Zwänge und Vermeidungsstrategien durchgegangen und haben eine Diagnostik durchgeführt. Meine Zwänge drehten sich in der Hauptsache um jegliche Körperflüssigkeiten. Blut, Verbände, Pflaster, Taschentücher und Co. waren daher meine schlimmsten Feinde und ich habe jeglichen Kontakt mit ihnen vermieden. Da sich bereits in der ersten Woche die Situation ergab, dass sich eine Mitpatientin Blut an ihrer Hose abwischte, während sie neben mir am Esstisch saß, starteten wir hierauf bezogen direkt mit den ersten Konfrontationsübungen.
Diese erscheinen anfangs wirklich überzogen. Alles wird auf die Spitze getrieben und die Therapeuten versuchen die ganze Zeit die Anspannung auf dem Höchstmaß zu halten. Ich habe die verrücktesten Sachen gemacht.
Man kommt sich lächerlich vor und trotzdem ist die Anspannung teilweise fast nicht aushaltbar. Manchmal stellt man aber auch fest, dass die Angst vor einer Konfrontation viel größer war, als die Konfrontation an sich. Dadurch, dass wirklich jede Grenze überschritten wurde und das „Ekelpendel“ genau in die andere Richtung ausgeschlagen wurde, muss ich sagen, dass die „Ekelgrenze“ wirklich erstaunlich schnell nach unten ging. Wenn irgendwann sowieso alles „ekelig“ beziehungsweise „verseucht“ oder „infiziert“ ist und es keine „geschützten Bereiche“ mehr gibt, kann man sich ziemlich schnell wieder ziemlich normal bewegen. Mich haben diese ersten Erfolge wahnsinnig erstaunt und motiviert immer weiter zu machen.
Mich auch den größeren Herausforderungen zu stellen, denn ich hatte gelernt, dass auch das größte Ekelgefühl irgendwann nachlässt und dass ich wesentlich mehr aushalten kann, als ich mir vorher zugetraut hatte. Natürlich verlässt man sich anfangs auf die Therapeutin und denkt...naja, wenn die Therapeutin jetzt sagt, dass ich das machen soll, dann kann es ja nicht so schlimm sein. Man gibt quasi jedes Mal ein Stück Verantwortung an die Therapeuten ab. Aber auch damit lernt man umzugehen.
Ich hatte zu Beginn der Therapie mit meiner Therapeutin festgelegt, dass ich mir nur noch nach dem Toilettengang die HÄNDE (Unterarme nicht inbegriffen) waschen darf und das nur noch EINMAL, mit einmal Seife und für maximal 30 Sekunden. Da ich, wie schon erwähnt, sehr perfektionistisch und sehr pflichtbewusst bin, habe ich mich von Anfang an, an diese Absprache gehalten. Meine Hände und Unterarme erholten sich sehr schnell wieder und das war eine der schönsten Belohnungen. Nach vielen Konfrontationsübungen lernt man mit der Zeit, die Dinge selber einzuschätzen. Bei mir war und ist es nach wie vor so, dass ich oft selbst an mir und meinen Erfolgen zweifle. Zu groß ist die Angst, wieder in den Zustand zurück zu fallen, in dem ich mich vor dem Klinikaufenthalt befand.
Ich habe aber gelernt, dass ich mir auch hierbei mehr vertrauen muss. Es wird immer starke und schwache Momente, gute und schlechte Phasen geben. Jeder Rückschritt ist auch ein Schritt.
Und auch wenn es mir am Anfang das Gefühl gegeben hat, versagt zu haben, beziehungsweise doch noch unter dem Einfluss des Zwangs zu stehen und diesem nachzugeben, habe ich gelernt, dass ich mich trotzdem nach und nach wieder nach oben kämpfen kann und das auch ohne meine Therapeutin. Auch wenn man zwei Mal am Tag 50 Minuten Einzeltherapie hat (was wirklich viel und dadurch sehr effektiv ist) gibt es eben auch während des Klinikaufenthalts immer wieder Situationen, in denen man das Erlernte eigenständig anwenden muss. Da sich meine Zwänge eben auch extrem auf meine Wohnung bezogen haben, bin ich an den Wochenenden nach Hause gefahren und habe auch dort eigenständig Konfrontationsübungen durchgeführt, sprich ich habe alles „infiziert“.
Was mir neben den Konfrontationsübungen ebenfalls sehr geholfen hat, war das Hintergrundwissen über den Zwang. Nachzuvollziehen, wie der Zwang entsteht und wie dieser aufrechterhalten wird. Auch durch dieses Modell habe ich gelernt, mich und meine Handlungen zu hinterfragen, Erlebnisse einzuordnen und mich selbst zu reflektieren. Neben den Einzeltherapiesitzungen habe ich an mehreren Gruppen teilgenommen. Die Gruppen greifen unterschiedlichste Themen auf und gehen auf die jeweils anwesenden Patienten ein. Ich persönlich konnte aus den Gruppen ebenfalls sehr viel mitnehmen. Zum einen lernt man die anderen Patienten besser kennen und baut untereinander eine Beziehung auf und zum anderen ergänzen die Themen und Erkenntnisse der Gruppen häufig die Ergebnisse der Einzeltherapie.
So konnte ich in der Zwangbewältigungsgruppe noch mehr über die Zwänge erfahren und somit zum „Experten meiner Krankheit“ werden. Auch half es mir, meine Zwangsgedanken besser einordnen und verstehen zu können und mich nicht länger dafür zu verurteilen.
Und was in meinen Augen das Wichtigste ist... man lernt, den Zwang als eine Krankheit anzuerkennen. Sich nicht dafür zu schämen oder dahinter zu verstecken. Niemand von uns hat sich das ausgesucht. Keiner hat geschrien, dass er einen Zwang haben möchte.
Der Zwang hat immer eine Funktion und im Endeffekt beschützt er uns vor irgendetwas. Eigentlich kann man ihn mehr als einen guten Freund sehen, der lange Zeit auf einen aufpasst. Mein Zwang hat nun lange genug auf mich aufgepasst. Ich bin mit der Einstellung in die Klinik gegangen, dem Zwang die Stirn zu bieten. Das habe ich getan und ich habe ihn lange Zeit gehasst. Mittlerweile habe ich ihn als einen Teil von meinem Leben akzeptiert. Er gehörte halt lange Zeit einfach dazu und ich würde lügen, wenn er sich heute nicht auch noch ab und an melden würde.
Aber ich habe gelernt damit umzugehen. Gelernt, welche Sätze und Methoden ich ihm entgegen setzen kann. Ich spüre, wann ich in Angriffsposition gehen muss und wann ich die Situation auch ohne eine Konfrontationsübung machen zu müssen unter Kontrolle habe. Die sechs Wochen in der CDK haben mir geholfen, dass ich wieder der Chef in meinem Leben und der Chef meiner Krankheit sein kann. Ich kann mich wieder frei bewegen, innerhalb und außerhalb meiner Wohnung. Ich kann wieder Freunde zu mir nach Hause einladen, Dinge vom Boden aufheben, die Wohnung putzen ohne zwischendurch 20x die Hände waschen zu müssen, etc. Mein Leben hat sich einfach um 180° gewendet und auch wenn ich weiß, dass mich noch einige Herausforderungen erwarten und dass nicht alles glatt laufen wird, weiß ich, dass ich das nötige Werkzeug an der Hand habe, um mich aus der jeweiligen Situation heraus zu kämpfen.
Dafür bin ich einfach nur dankbar und daher kann ich die CDK von ganzem Herzen weiterempfehlen. Trotz aller Herausforderungen und Anstrengungen hatte ich dort eine super Zeit, mit tollen Mitpatienten, von denen viele echte Freunde für mich geworden sind.
Der Zusammenhalt ist einfach sehr stark, weil jeder den anderen verstehen kann und auch wenn jede Krankheit etwas anders ist, kann man sich doch zumindest in den anderen hineinversetzen, ihn aufbauen und pushen.
Die Zeit in der CDK war wohl eine der schwierigsten und zugleich eine der schönsten Zeiten meines Lebens. An alle, die noch überlegen, ob sie sich in eine stationäre Therapie begeben sollen und diesen Erfahrungsbericht vielleicht gelesen haben: Ich hoffe, dass ich ein bisschen Angst nehmen und Mut machen konnte. Es kann sich immer etwas verändern, wenn man es wirklich will. Hört daher niemals auf zu kämpfen, denn es lohnt sich auf jeden Fall!
Weiblich, 35 Jahre, Diagnose: Zwangsstörung
Der Grund, warum ich in die Klinik ging war, weil ich Phobien hatte und Waschzwang.
Ich hatte eine Phobie gegen die Straßenecken, Mäntel und Tüten, weil dort Hunde hinpinkeln und Menschen mit ihren Mänteln um die Ecke biegen und diese Stellen evtl. berühren.
Auch die großen, langen Tüten aus den Kaufhäusern machen mir Angst, wenn die Menschen damit um die Ecken gehen und die Tüten an den Ecken streifen. Ich bekam Panik. "Bloß nicht diese Tüten und Mäntel berühren, sonst hast du den Urin an deinen Beinen!". Wenn es mal passierte, musste ich sofort duschen, oder wenn ich eine lange Hose trug, musste sie in die Waschmaschine. In der Stadt fühlte ich mich auch ständig sehr unwohl, oder in der vollen Straßenbahn. Ich war ständig mit meinen Augen auf die Mäntel und Tüten fixiert. Ich war nie relaxt.
Dann hatte ich außerdem große Angst vor Mallorca. Ich arbeitete 7 Jahre dort als Reiseleiterin. Doch die letzten 3 Jahre litt ich sehr unter dem Waschzwang. Ich sah, wie ich einen Ekel auf diese Touristen in Mallorca bekam. Besonders davon betroffen waren diese "Kegelbrüder", die schon betrunken aus dem Flieger kamen und sich in Arenal niederließen. Dort soffen sie wie die Blöden, pinkelten von den Balkonen und bumsten am Strand am helllichten Tag. Auch meine Kolleginnen hatten den Ekel vor ihnen. Sie sagten auch: Guck mal den an, eklig. Aber zu Hause vergaßen sie alles. Schließlich ekelte ich mich dann auch vor den Kolleginnen. Ich konnte den Ekel nicht einfach abschalten. Ich steigerte mich da rein und fing an, zuerst die Hände zu waschen, dann die Kleider in die Maschine zu tun und anschließend zu duschen. Das Duschen war sehr anstrengend, denn jeder Millimeter vom Körper musste eingeseift werden. Manchmal vergaß ich, ob ich jetzt z.B. den linken Arm eingeseift hatte. Um sicherzugehen seifte ich ihn besser noch mal ein, und besser noch mal.
Am Ende duschte ich manchmal bis zu 30 Min. Dann kam ich mit den Nerven fertig und weinend aus der Dusche. Und das jeden Tag.
Wenn ich abends mit meinen Kolleginnen etwas unternommen hatte (es graute mir davor, aber alle baten, ich solle kommen), war ich in normaler Kleidung dort und danach schmiss ich die Kleider in die Maschine und duschte noch einmal, aber wieder ca. 30 Minuten lang. Im Bett gelegen, hatte ich oft keine Lust mehr aufzustehen: Angst vor dem langen Duschen immer und immer wieder. Ich wollte dann nur noch weg von Mallorca. Aber jede Bewerbung außerhalb der Insel ging in die Hose. So verbrachte ich 3 Jahre. Dann nach der Saison packte ich mein Auto und fuhr nach Granada, um dort einen neuen Anfang zu machen. Ich hatte noch keine Arbeitsstelle, fand aber bald eine in Marbella.
Die Arbeit war toll, aber meine Kollegin flog ein verlängertes Wochenende nach Mallorca und kam mit einem mallorquinischen Gebäck zurück. Ich bekam Panik, weil alle dieses Gebäck anfassten, sich nicht danach die Hände wuschen, und alles andere im Büro berührten. Ich musste kündigen, sonst hätte ich wieder 2 Leben geführt, wie auf Mallorca – das verseuchte Berufsleben, dann das saubere Privatleben. Ich wollte auf keinen Fall wieder so anfangen. Bei der nächsten Stelle war der Stuhl, auf dem ich beim Vorstellungsgespräch saß "verseucht" und ich sah, wie sich die Kollegen dort hinsetzten, dann auf meinen Bürostuhl, etc. Also, wieder kündigen. Mein dritter Arbeitsplatz war in einem Verkaufsbüro. Aber es kamen Touristen aus Madrid, die sonst jedes Jahr mit ihrem Auto nach Mallorca fuhren. Dieses Jahr wollten sie Marbella ansehen. Sie waren sehr interessiert, eine Wohnung zu kaufen und setzten sich in mein Büro. Der Chef kam und gab ihnen die Hand, etc. Wieder alles verseucht. Ich kündigte ein paar Wochen später. Zuerst wollte ich es mit Konfrontation probieren, aber es ging nicht. Anfangs putzte ich wie ein Blöder jeden Tag die Möbel, Telefon, etc. Aber als der Chef anfing zu fragen, was ich denn mache, weil die Arbeit nicht voranging, dacht ich, so – jetzt muss ich gehen. Ich zog nach Almeria, denn in Marbella spricht es sich rum, wenn man ständig den Arbeitsplatz wechselt. Doch in Almeria sah ich Autos von Mallorca, konnte deswegen nicht in Restaurants, Tankstellen, Supermärkte, etc. gehen.Ich merkte, dass ich so langsam anfing, abzudrehen. Da war es schon höchste Zeit Hilfe aufzusuchen. Ich hatte vorher ambulante Therapie, aber es half alles nichts.
So hörte ich von dieser Klinik. Ich hörte, hier wird heftige Konfrontation gemacht. Aber ich hatte meine Zweifel. Denn ich hatte ja auch mit mir selbst Konfrontation gemacht und es klappte nicht.
In der Christoph-Dornier-Klinik musste ich mit dem Therapeuten und einer Stofftasche alle Straßenecken abstreifen und dabei hinschauen. Das war eklig. Dann musste ich die Tasche berühren und mit diesen Händen Dinge im Zimmer, mein Gesicht, Haare, Körper, danach meine Bettwäsche, Kleider und Handtücher berühren. Am schlimmsten waren die Bettwäsche und die Handtücher. Ich suchte ständig einen Fluchtweg und dachte, ich lege mich ins Bett und wenn ich aus dem Bett gehe, dusche ich mich sauber, doch mein Handtuch ist ja auch verseucht, so blieb kein Lösungsweg. Ich musste da durch. Ich hätte mir frische Handtücher bei der Putzfrau besorgen können, doch da hätte ich mich selbst betrogen. Ich wollte das machen, was der Therapeut mir erklärt hatte. Ich hatte verstanden, was zu tun ist, um wieder normal denken zu können. Sonst hätte ich zu Hause bleiben können. Am nächsten Tag musste ich mit meinen Händen diese Straßenecken anfassen. Aber der Therapeut tat es auch, so konnte ich es auch tun. Es war aber sehr eklig. Im Zimmer musste ich mir mit den Händen mein Gesicht abreiben, Kleider, etc. Das gleiche wie am vorigen Tag. Es half mir viel, dass der Therapeut mitmachte. Am schlimmsten waren wieder die Handtücher. Es war so eklig, dass ich nicht mehr im Zimmer schlafen wollte, ein neues Handtuch wollte, usw. Aber ich blieb hart mit mir und machte das, was der Therapeut sagte. Wir machten diese Übungen immer wieder und der Ekel ließ mit der Zeit nach.
Als ich sah, dass es mit den Ecken klappte, war ich immer sicherer, dass es auch mit Mallorca klappt. Wir flogen dann dorthin. Erst wurde ich vorbereitet mit einer Postkarte von einem Hotel in Arenal. Ich kannte es und fand es total eklig. Ich musste diese Karte in mein Bett legen und alles damit verseuchen. Aber es ging. Vielleicht, weil die Ecken auch gingen. In Mallorca weinte ich ca. 30 Minuten lang am Flughafen. Auch bei den anderen Konfrontationsübungen, die wir machten, weinte ich. Es kam heraus, alles was mit meiner Arbeit zu tun hatte (Flughafen, Reiseleitung in den Hotels, Busse am Flughafen, Kolleginnen) war supereklig. So musste ich mich in die Reiseleiterstühle in den Hotels setzen, in einen Bus am Flughafen einsteigen, und im Flughafen sitzen. Es war hart. Aber ich schaffte es. Der Ekel, der Adrenalinstoß schießt hoch, aber nach einigen Minuten lässt er nach. Ich zweifelte vorher an diesem Vorgehen, aber es stimmt. Die anderen Patienten hatten die gleiche Erfahrung.
Ich bin jetzt am Ende meiner Therapie. Ich habe viel gelernt und Erfolg gehabt. Ich laufe richtig erleichtert durch die Stadt. Frei von diesem Zwang.
Alle Tüten können mich jetzt berühren. Nach Mallorca will ich so bald wie möglich wieder hinfliegen. Unbedingt. Und diesmal den Aufenthalt genießen. Ich muss aber immer wieder üben. Wenn ich merke, es kommt Ekel hoch, sofort Konfrontation machen. Ich habe gelernt, damit umzugehen, was zu tun ist. Alleine ist das unmöglich. Ich dachte auch, ich schaffe es alleine. Aber es geht nicht, es wird schlimmer und alleine kommt man da nicht heraus. Auch nicht mit Hilfe von Freunden. Es muss eine fremde Person sein. Ich dachte vor der Therapie: Das schaffe ich vielleicht nicht. Ich hatte Zweifel. Denn ich versuchte ja die Konfrontation selbst zu machen. Es erschien mir fast unmöglich, was der Therapeut mir erklärte, nämlich, dass der Adrenalinstoß in die Höhe schießt, aber nach einer Weile, einigen Minuten, wieder runtergeht. So lässt auch der Ekel nach.
Es klappte tatsächlich.
Weiblich, 39 Jahre, Diagnosen: Zwangsstörung, Panikstörung mit Agoraphobie
Der Zwang mit dem Zwang und die Angst vor der Angst
Mein Name ist Sabine H. Ich bin 39 Jahre alt und ich glaube jetzt fängt mein neues Leben an.
Ich leide unter Zwängen und Ängsten.
Die Angst wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt, weil meine Mutter bereits vor meiner Geburt an Ängsten litt. So brach irgendwann, mit 21 Jahren, die Angst auf die Straße zu gehen, auch bei mir aus. Aber das war erst der Anfang von vielen leidvollen Jahren, die ich an dieser Stelle aber nicht weiter schildern möchte.
Später kamen noch Zwänge dazu. Meine Zwänge fixierten sich hauptsächlich auf Entkalker. Wenn ich ihn durch Zufall in einem Geschäft sah (und sei es im Einkaufswagen fremder Leute) musste ich sofort nach Hause, um zu duschen und die Haare zu waschen. Ich hatte das Gefühl, der Entkalker war an meinem ganzen Körper. Die Kleider kamen in den Müll oder wurden durch Plastiktüten von den anderen Kleidungsstücken getrennt. Es gab nur noch "gute" und "schlechte" Kleidung. Nur "gute" Kleidung bedeutete Sicherheit; Sicherheit den Tag zu überstehen. Im Laufe von mehreren Krankenhausaufenthalten, einer neunjährigen ambulanten Therapie und durch die Mithilfe meiner Familie hatte ich es geschafft, nach langer Arbeitslosigkeit, wieder arbeitsfähig zu werden.
Allerdings durfte niemand wissen, dass ich psychisch krank bin. Hauptsache ich funktionierte von 07.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Da ich immer bemüht war, meine Arbeitsfähigkeit zu erhalten wurde die Suche nach Sicherheit für mich zum Problem. Meine Ängste wurden schlimmer. Alleinsein für mich unmöglich. Die Zwänge wurden stärker. In Lebensmittelgeschäfte ging ich wie ein gehetztes Tier, immer in der Angst, Entkalker zu sehen. In manche Geschäfte bin ich überhaupt nicht mehr gegangen und wechselte sogar die Straßenseite wenn ich Kaffeemaschinen im Schaufenster gesehen habe.
Ich war durch meine Ängste nur auf meinen Wohnort beschränkt. Selbst in die nähere Umgebung konnte ich nur mit Begleitung. Alleine Busfahren, eine unmögliche Vorstellung.
Vor wenigen Wochen ist mir klargeworden, dass mein Leben so nicht mehr weitergehen kann und ich aller schnellstens etwas ändern muss. Durch meine ambulante Therapeutin habe ich von der CDK erfahren. Ich wusste die Therapie würde nicht leicht werden. Aber hatte ich wirklich eine andere Wahl? Ich hatte mich entschlossen alles zu tun, damit es mir besser geht.
In der Christoph-Dornier-Klinik habe ich mich meinen Problemen gestellt. Da jeder Patient ein Einzelzimmer hat, war meine erste Hürde mit dem Alleinsein, vor allem in der Nacht, geschafft. Nach einer Woche hatte ich mich daran gewöhnt. Durch längere Busfahrten mit meiner behandelnden Therapeutin, habe ich gelernt die Angst auszuhalten. Dabei habe ich gemerkt, dass ich trotz aller Panik nicht sterben werde und die Angst, nachdem sie die höchste Stufe erreicht hat, langsam zurückgeht. Mein Körper, den ich bis dahin wegen der Angst immer verflucht habe, hilft mir in diesen Situationen, weil er nicht die Kraft hat große Angst über einen langen Zeitraum aufrechtzuerhalten und die Angst somit nicht mehr die höchste Stufe erreichen kann. Diese Erfahrungen haben dazu beigetragen, mir die Bedrohlichkeit der Angst zu nehmen. Ich habe keine Angst mehr vor der Angst. Wenn sie dann kommt, habe ich halt Pech gehabt.
Zusammen mit meiner Therapeutin habe ich mich dann in Lebensmittelgeschäften bewusst dem Entkalker ausgesetzt. Ihn angesehen und verschiedene Artikel dieses Produkts in die Hand genommen. Diese Übung war sehr anstrengend. Auf meinem Zimmer haben wir dann eine der Tüten geöffnet und das Pulver angesehen. Langsam Stück für Stück wurde ich an den Entkalker und somit an meine Zwänge herangeführt. Zu meinen schwierigsten Aufgaben gehörte es, eine geöffnete Tüte Entkalker auf meinem Zimmer zu haben und zum ersten mal eine Kaffeemaschine allein zu entkalken.
Da nur die Übung den Meister macht, wurden es mehr Tüten und mehr zu entkalkende Geräte. Jetzt sehe ich im Entkalker nicht mehr die Gefahr wie früher. Ich kann meine Kleidung weiterhin tragen und muss mich auch keinen Waschorgien unterziehen. Um die Gefahr auszuschließen, dass ich in das alte Schema zurückfalle und Entkalker aus dem Weg gehe, trage ich in den nächsten Monaten immer eine Entkalkertablette in meiner Tasche. Dies zu tun, empfinde ich nicht als störend sondern als positiv, da die Tablette mich daran erinnert, dass ich den Kampf gegen meine Zwänge aufgenommen habe und bei diesem Kampf nur gewinnen kann.
Endlich nach so vielen Jahren, fange ich an freier zu werden. In Ruhe durch Geschäfte zu bummeln und keine Angst mehr vor Entkalker zu haben, ist für mich eine neue und sehr schöne Erfahrung.
Am Wochenende bin ich zum ersten Mal, seit 17 Jahren, alleine 30 Minuten mit dem Bus gefahren. Noch vor wenigen Wochen hätte ich so etwas für unmöglich gehalten.
Jetzt liegt es an mir, das Beste daraus zu machen. Ich würde mich freuen, wenn ich durch meine Geschichte anderen Betroffenen Mut gemacht habe, sich auf diese Art der Therapie einzulassen, um für sich ebenfalls eine neue bessere Welt zu entdecken und das Leben wieder lebenswert zu machen.
Weiblich, Diagnose: Zwangsstörung
Mich haben quälende, lebenseinschränkende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen bewogen, mich für einen Aufenthalt in der Christoph-Dornier-Klinik zu entscheiden.
Ich möchte meine positiven Erfahrungen mit der Behandlung meiner Zwangserkrankung in der Christoph-Dornier-Klinik gerne weitergeben. Vielleicht ermutigt mein Bericht, dem Zwang den Kampf anzusagen, um ein unbeschwerteres Leben führen zu können.
Ich kann für mich sagen, dass ich vom Konzept der Klinik und von der Durchführung durch meine Einzeltherapeutin sehr begeistert bin. Mir half die Intensität, die täglichen Gesprächs- und Übungseinheiten. Wir haben zunächst die Ursachen meiner Zwangserkrankung beleuchtet, die Funktion des Zwangs, auf letzteres kamen wir während der Therapie immer wieder zurück, so dass ich mit der Zeit schon prima selbst analysieren konnte, warum gerade ein Zwangsgedanke auftritt. Diese Erkenntnis machte mir das Vorgehen gegen den Zwang leichter. Die Alternativen zur Reaktion mit dem Zwang wurden wiederum gemeinsam erarbeitet. Das Konzept der Therapie bzgl. der Zwangserkrankung besteht darin, sich mit Angst verursachenden Situationen zu konfrontieren, die Angst aufs höchste Maß steigen zu lassen und sich nicht zu beruhigen. Ich machte die positive Erfahrung, dass die Angst nach schlimmen Übungen mit der Zeit von alleine ging. Nur mit dieser Vorgehensweise kann ich dem Zwang Einhalt gebieten.
Die Therapie ist schwierig aber zu schaffen und effektiver als andere Behandlungsmethoden, bei denen die Einzeltherapie sehr knapp bemessen ist. Ich habe hier Dinge geschafft, die ich mir vorher nicht hätte vorstellen können. Um mein übermäßig häufiges und detailliertes Händewaschen in den Griff zu bekommen, ließ ich ein paar Tage das Händewaschen ganz weg – mit einer besprochenen Ausnahme. Ich merkte hier als erstes, dass das Klinikkonzept funktionierte. Nach den ersten Toilettengängen war es wahnsinnig ekelhaft und schwer auszuhalten, die Hände nicht waschen zu dürfen, aber ich gewöhnte mich daran. Ekelgefühle und meine zwangsbedingte Angst, ich könne mir eine Scheideninfektion holen, wenn ich die Hände nicht wasche, wurden weniger und nahmen fast ganz ab und zwar ohne, dass ich mich in Gedanken beruhigte.
Ich benutzte zum Abtrocknen meines Gesichts und meiner Hände (Ausnahmefall) extra die Stelle am Handtuch, wo z.B. Make Up zu sehen war. Das fiel mir anfangs wieder extrem schwer, aber auch das legte sich.
Ich machte eigentlich fast permanent das Gegenteil von dem was der Zwang wollte, ich vertauschte feste Reihenfolgen und parfümierte mich vorm Toilettengang, was ich früher nicht gemacht hätte, da ich glaubte, durch die Parfümreste an den Fingern beim Abwischen eine Scheideninfektion zu bekommen.
Das Thema „Spritzen“ in Bezug auf Angst vor HIV ist ein weiteres wesentliches Behandlungsgebiet in meiner Therapie gewesen, wir haben leicht angefangen, obwohl mir das auch schon schwer fiel, und schließlich, was ich erst nicht wollte und mir nie zugetraut hätte, war 1., eine benutzte Spritze mit dem Schuh zu berühren und 2. in die AIDS-Beratungsstelle zu gehen. Ich hatte bei den letzten beiden Übungen unglaublich große Angst, die aber auch ohne Beruhigungsmaßnahmen verflog und hinterher war ich sogar richtig stolz auf mich. Das bin ich auch jetzt noch.
Doch so schnell wird man den Zwang leider nicht los, bei mir ist es zumindest nicht der Fall, so dass ich schon noch Angst habe, wenn ich eine Spritze sehe. Ich habe mir als weitere Übung für jeden Tag zum Angucken eine neue Spritze in der Apotheke gekauft und aus der AIDS-Beratung eine Schleifenanstecknadel mitgenommen, so konfrontiere ich mich auch zu Hause weiter mit meinen Ängsten.
Ermutigt wurde ich in Münster durch mein Therapeutin, die für alle Probleme, auch außerhalb der aktuellen Übungsreihe, ein Ohr hatte.
Durch die Anleitung meiner Therapeutin wusste ich später schon selbst, wie ich Übungen effektiv gestalte und was dem Zwang wieder Nahrung gibt und was nicht.
Das ist wichtig für die Zeit zu Hause. Ich bin leider nicht geheilt, das ist wohl auch eine nicht zu realisierende Traumvorstellung, in 4 Wochen gesund zu werden. Aber ich weiß jetzt, wie ich vom Zwang wegkomme und mich auf wesentliche Dinge im Leben konzentrieren kann, wie ich das Leben genießen kann. Meine Ziele habe ich anhand einer Zukunftsphantasie genau vor Augen. Es lohnt sich, gegen den Zwang anzugehen, für ein unbeschwerteres Leben und die Dornier-Klinik leistet meiner Meinung nach einen großen Beitrag auf dem Weg dorthin.
Sonstiges
Weiblich, 36 Jahre
Nachdem ich schon seit Jahren immer wieder mit ambulanten Therapien und letztlich auch stationären Krankenhausaufenthalten zu tun hatte, ohne wirkliche Fortschritte zu verspüren - im Gegenteil ich wurde im Herbst 2010 aufgrund meiner psychischen Erkrankungen pensioniert - war ich Anfang 2011 endgültig an einem Wendepunkt in meinem Leben. Meine behandelnde Ärztin empfahl mir einige Kliniken mit gutem Ruf, an durchaus schönen Standorten und gut ausgestattet, aber spätestens wenn ich las "Ausgangszeiten.die Klinik wird um . Uhr geschlossen.", bekam ich einen Klos im Hals und das Gefühl, genau das nicht mehr zu wollen bzw. aushalten zu können. Und überhaupt, ist doch auch alles gar nicht so schlimm, das bekomme ich alleine in den Griff.Vermeidung par excellence!!!
Das hat dann wieder mal ein paar Tage geholfen, um die Selbstheilungskräfte zu aktivieren, aber letztlich änderte es nichts daran, dass es mir nicht gut ging und ich es eben nicht allein in den Griff bekam.
Also begann ich auf eigene Faust nach einer auf meine Problematiken (Angst- und Panikstörung, Soziale Phobie, Depressionen, pp.) spezialisierte Klinik zu suchen und wurde fündig. Neben den Kliniken, die mir meine Ärztin empfohlen hatte, stieß ich auch auf die "CDK". Keine Rede von "Ausgangszeiten", stattdessen ein ansprechende, informative Internetseite, die mich eine ganze Weile gefesselt hat (und das will bei meinen Konzentrationsschwierigkeiten schon etwas bedeuten). Die dort beschriebene Vorgehensweise war so ganz anders als das was ich von stationären Krankenhausaufenthalten kannte. Insbesondere die eingehende Diagnostik im Vorfeld der stationären Aufnahme hat mich letztlich bewogen, die Unterlagen anzufordern. Danach ging alles ganz schnell. Unterlagen zugeschickt, Fragebogen ausgefüllt, Rückruf eines Psychologen und Anmeldung meinerseits. Ich hatte mich nicht für das Erstgespräch, sondern für die zweitägige Diagnostik in der CDK entschieden, um zu sehen, ob ich das überhaupt schaffe, da gerade das nächtliche alleine sein ein sehr großes Problem für mich war. Bis zu meinem ersten Klinikaufenthalt im Jahr 2010 war es 9 Jahre lang überhaupt nicht möglich!!!
Die Zeit zwischen der Entscheidung für die Diagnostik und der Anreise war mehr als schwierig. Ich war so nervös - mit allen nur erdenklichen somatischen Beschwerden - und schon dabei, all die Gründe aufzulisten, warum ich "das" gar nicht mehr brauche (komme doch allein zurecht, es gibt so viele Fortschritte, pp.). Ich muss schon sagen, ich wusste gar nicht, wie kreativ und erfindungsreich ich sein kann, wenn es um Vermeidungsstrategien geht. Gelernt ist eben gelernt ;o) Aber auch bei all der Kreativität gab es weiterhin die ganz schwarzen, schweren Momente und die haben mich auch letztlich bewogen, die Sache doch durchzuziehen.
Anfang Juli fuhr ich dann schließlich zur Diagnostik in die "CDK". Die Begrüßung in der Klinik war ausgesprochen freundlich. Ich wurde von dem für mich zu diesem Zeitpunkt zuständigen Psychologen durch die Klinik geführt. Die CDK ist eine eher kleine Klinik, in der es keine voneinander getrennten Stationen gibt und alle Patienten ein Einzelzimmer haben. Es hat schon etwas familiäres, man fühlt sich gut aufgehoben und auch als Individuum wahrgenommen.
Im Rahmen des ersten Diagnostiktages wurde ich - zumindest gefühlt - ausgiebiger befragt und getestet, als in allen bisherigen Therapien zusammen. Die Befragung wurde per Videokamera aufgezeichnet, wobei ich sagen muss, dass sich die anfängliche Scheu und Nervosität diesbezüglich schnell gelegt hat. Neben dem Interview wurde ich sehr eingehend und anschaulich über die Vorgehensweise und die damit verbundenen körperlichen und psychischen Belastungen im Rahmen der Intensivtherapie hingewiesen. Intensive Einzelarbeit mit dem/der zuständigen Therapeutin und immer wieder Konfrontation mit angstauslösenden Situationen...ich muss zugeben, in diesem Moment bekam ich Zweifel, ob ich das durchstehen würde. Am Ende der Diagnostik fühlte ich mich sehr gut informiert und hatte auch Vertrauen in die CDK, ihr Konzept und die dort handelnden Personen gefasst. Für mich stand zu diesem Zeitpunkt schon fest, dass ich - sofern die Kostenzusage der zuständigen Träger erfolgen sollte - die stationäre Behandlung in der CDK antreten würde. Und ich war auch stolz, dass ich das Ganze überhaupt in Angriff genommen habe. Ein erster wichtiger Schritt.
Anfang September war es dann endlich so weit. Ich war so aufgeregt und angespannt. In der Woche vor der Aufnahme habe ich kaum noch geschlafen oder gegessen, dementsprechend ausgelaugt habe ich die Anreise angetreten. Auch die Tatsache, dass die Anreise Sonntagabends erfolgen sollte, hat mich belastet. Die Vorstellung anzukommen und dann sofort sich selbst überlassen an einem Sonntagabend dort zu sitzen. Und erst die Nacht.
Als ich ankam, wurde ich sehr freundlich von einer der Damen an der Rezeption (wie ich erst später erfuhr handelt es sich dabei ebenfalls um ausgebildetes medizinisches Personal) in Empfang genommen, herum geführt und über die Abläufe informiert. Ich war sehr erschöpft und froh, als ich alle Sachen in meinem Zimmer hatte. Das Zimmer war toll. Sehr hell, mit Balkon und Blick nach hinten in den Garten.
Ich habe mich von Beginn an in der "CDK" wohl gefühlt und das hat sich auch bemerkbar gemacht. Zwar war ich schon unruhig, aber ich konnte sogar schlafen und noch viel wichtiger, Angst ja, aber keine Panikattacke!!! Noch vor einigen Wochen bzw. Monaten undenkbar.
Am nächsten Morgen hatte ich noch mehr als genug Zeit, um meine Gedanken hinsichtlich der für mich zuständigen Therapeutin weiter kreisen zu lassen. Was, wenn wir uns nicht verstehen würden (schließlich "kannte" ich die Dame nur von ein oder zwei Telefonaten)? Bei der erforderlichen intensiven Zusammenarbeit eine Katastrophe. Was soll ich sagen.es hat gepasst, es hat sogar sehr gut gepasst!!! Wir haben wirklich sehr intensiv miteinander gearbeitet, ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und oft schwere, teilweise schmerzhafte Themen aufgegriffen, aber wir konnten auch gemeinsam lachen. Sicher eine Tatsache, die den einen oder anderen vielleicht verwundert, aber mir hat es unglaublich dabei geholfen, Druck abzubauen, die belastenden Momente besser aushalten zu können.
Ich muss oder darf sagen, dass ich Dank meiner überaus kompetenten und engagierten Therapeutin sowie des insgesamt überzeugenden Konzeptes der "CDK" in diesen 5 Wochen weiter gekommen bin, als in all den Jahren zuvor!!!
Was ist anders in der "CDK"?
Ich kann das Konzept der "CDK" natürlich nur mit meinen eigenen Therapie- und Klinikerfahrungen vergleichen. Von Vorteil ist meines Erachtens, dass sich in derart intensiven Therapieeinheiten ganz andere Einblicke und Situationen ergeben, als im Rahmen einer ambulanten Therapie, in der man einmal in der Woche für 50 Minuten sein "Seelenköfferchen" auspackt. Zugegeben, die intensive Zusammenarbeit ist auch nicht immer einfach, aber andererseits dienen auftretende Spannungen und Probleme ihrerseits wiederum als Grundlage, um weiter an sich zu arbeiten. Keine Chance für "Versteckspiele". Es geht - vorausgesetzt natürlich, man ist bereit, sich darauf einzulassen - unweigerlich an' s "Eingemachte". Was mich angeht, so war meine Verfassung am Ende der Therapie "gefühlt" nicht gut. Es wurden sehr viele Dinge aufgewühlt, es gab enorme Veränderungsprozesse mit weitreichenden Folgen und all das begleitet von Zweifeln und Ängsten vor all dem. Man hat mich seitens der "CDK" damit nicht allein gelassen. Gemeinsam wurde ein engmaschiges Netz aus Nachbetreuung und Intervallbehandlung geknüpft. Diese feste Struktur hat mir sehr geholfen. Sie gab mir Sicherheit und Zuversicht. Das Gefühl, in dieser schwierigen Situation nicht allein da zu stehen!!!
6 Wochen nach Ende der ersten stationären Behandlung habe ich eine 3-wöchige Intervallbehandlung angetreten. Und auch wenn es eine Klinik ist, so war es doch auch ein wenig wie "nach Hause" kommen. Eine Wohltat bei all den Veränderungen und Umbrüchen in meinem Leben. Während der Intervallbehandlung wurde noch einmal auf - für mich durchaus nicht selbstverständliche Art und Weise - deutlich, wie flexibel und engagiert nicht nur meine Therapeutin, sondern auch die gesamte Leitungsebene der "CDK" auf persönliche Probleme und Bedürfnisse reagierte. Es wurde deutlich, dass nicht die standardisierten Abläufe eines geschlossenen Systems automatisch Vorrang haben, sondern die Unterstützung des einzelnen Patienten im Vordergrund steht. Neben der Intensivtherapie bin ich auch von der medizinischen Betreuung innerhalb der "CDK" überzeugt. Die Medikation - soweit denn im Einzelfall unbedingt erforderlich - und der allgemeine Gesundheitszustand wurden regelmäßig - mindestens einmal in der Woche im Rahmen der Visite - thematisiert. Ein Umstand, den ich bislang so leider nicht kennen gelernt habe. Erwähnenswert auch, dass man in der "CDK" namentlich bekannt ist. Der Vorteil - für den ein oder anderen vielleicht auch ein Nachteil - ist, die relativ geringe Anzahl an Patienten. "Jeder kennt Jeden"!!!Irgendwann kommt man mit fast jedem Mitarbeiter bzw. jeder Mitarbeiterin ins Gespräch. Und oftmals ergeben sich daraus sehr interessante, unterhaltsame und vor allem auch hilfreiche, aufbauende Gespräche.
Mein Fazit: Ich habe im Rahmen der Behandlung in der CDK mein Leben auf den Kopf gestellt. Für mich war es die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt. Sie hat mein Leben grundlegend verändert, wenn nicht sogar gerettet.
All denen, die bereit sind, intensiv an sich zu arbeiten und Dinge auch verändern möchten, kann ich diese Klinik uneingeschränkt empfehlen.
Rückfall
Weiblich, 56 Jahre, Diagnose: Alkoholabhängigkeit
Während meiner Jugendzeit bin ich nur sehr selten mit Alkohol in Berührung gekommen. In meinem Elternhaus gab es nur zu Feiertagen und zu besonderen Anlässen ein Glas Wein. Während meiner Berufszeit änderte sich dieses. Kollegen hatten Geburtstag, wurden Eltern, feierten Ein- oder Ausstand und luden aus diesen Gründen zu einem Umtrunk ein. Mit Kollegen ging man zum Essen, Kegeln oder zu einem Abteilungsfest. Dabei wurde dann in vertretbarem Umfang Alkohol getrunken. Es war aber in all diesen Jahren niemals ein regelmäßiger Alkoholgenuss. Während meiner Ehe tranken wir gerne, wenn mein Mann von der Firma nach Hause kam einen Aperitif. Abends dann zusammen eine Flasche Wein, im Urlaub auch manchmal mehr. Wir sind in München oft in Theater, Oper und Konzerte gegangen. Den schönen Abend ließen wir dann gerne in einer hübschen Weinstube ausklingen. Auch bei gemeinsamen Geschäftsessen, Empfängen und Besuchen war das so. Wenn ich selbst für unsere Gäste kochte, suchte meine Mann passende Getränke aus. Es waren immer schöne und harmonische Abende. Vernünftigerweise haben wir und auch unsere Gäste bei entsprechendem Alkoholkonsum ein Taxi genommen und das Auto am nächsten Tag abgeholt. Ich habe niemals Alkohol getrunken, um Ärger, Kummer oder auch Sorgen zu verdrängen.
Der Übergang bei mir zu wesentlich höherem Konsum kam ganz schleichend und wurde weder von mir noch von meiner Familie als besorgniserregend empfunden. War es wirklich einmal so viel, dass ich mich am nächsten Tag unwohl fühlte, konnte ich ohne Mühe und ohne Entzugserscheinungen tagelang ganz ohne Alkohol sein. Das Abrutschen Anfang der 90-iger Jahre begann damit, dass ich nicht mehr bis zum Abend auf meinen Mann wartete. Wenn ich nachmittags mit meiner Arbeit fertig und mit mir zufrieden war, trank ich sozusagen als Belohnung mein erstes Glas Wein. Ich habe es zu der Zeit aber noch nicht vor meinem Mann verborgen, sondern die Flasche stehen lassen. Später, vor allem wenn mein Mann schon sehr früh das Haus verließ, oder und mehrere Tage und Nächte nicht da war, änderten sich meine Trinkgewohnheiten allmählich. Ich trank dann mittags schon zum Essen Wein und hatte so bis zum Abend eine Flasche ausgetrunken, ohne dass ich mich alkoholisiert fühlte. Der nun schon jahrelange Aufenthalt in der Pfalz, die ständige Umgebung von Weinfeldern-, gütern-, weinstuben und –Ausschenkstellen, sowohl auch sonntags der Verkauf, die vielen Weinfeste von Anfang März bis Ende Oktober, kamen meiner Neigung schon sehr entgegen. Hier tranken alle Leute, Nachbarn und Freunde Wein. Auch bei Kaffeekränzchen wurde zur Begrüßung Sekt und zum Abschluss Wein gereicht.
Mein Weinkonsum steigerte sich dann. Ich merkte und wusste selbst, dass es zuviel ist und mir gesundheitlich schadet. Das Verlangen wurde immer stärker und ich verlor allmählich jegliches Gefühl für eine noch akzeptable Menge. Zu dieser Zeit sprach mein Mann mich immer öfter auf meine Abhängigkeit an und bat mich, damit aufzuhören und hielt mir vor Augen, wie krank ich werden würde bzw. schon wäre. Darauf reagierte ich heftig, verteidigte mich und fand hundert Ausreden für mein Trinken. Es fiel mir schwer, mir meine Abhängigkeit einzugestehen. Ich fühlte mich willensschwach und war von mir sehr enttäuscht. Zu diesen negativen Gefühlen gesellte sich Scham und Traurigkeit. Ich fühlte mich schlecht, war übellaunig und aggressiv. Unsere Ehe litt darunter und die bisher so schönen Beziehungen zu meinen Kindern. Meine Familie bat mich dringendst, eine Entziehung zu machen und in eine Klinik zu gehen. Gegen meine eigene Überzeugung habe ich eingewilligt und bin in eine entsprechende Klinik gegangen. Während dieser 4 Wochen lebte ich zwangsweise abstinent, hatte aber kein Verlangen zu trinken. Der Erfolg war gleich null. Die Therapeuten akzeptierten mit Recht nicht meine Einstellung zu einem kontrollierten Trinken, was mein Ziel war. Als ich eine Woche nach meiner Rückkehr mit meinem Mann, Sohn und dessen Freund bei einem Glas Wein auf der Terrasse saß, kam unsere Tochter dazu. Ich fühlte mich an diesem Abend sehr glücklich, weil ich zeigen konnte, dass es von nun an bei einem Glas Wein bleiben würde. Der Satz von Nicole "Na, schmeckt es schon wieder?" löste in mir einen solchen Trotz und eine Überreaktion aus, dass ich ab dem nächsten Tag in meine alten Trinkgewohnheiten zurückfiel. Vor mir selbst versuchte ich das zu beschönigen, weil ich mir einredete, dass mich niemand versteht und an dieser Problematik teilnimmt. Der Rückfall war damit eingeleitet. Nach ca. 8 Wochen ging ich in eine andere Klinik. Meine Wut über meine Schwäche war grenzenlos. Ich war verzweifelt und unglücklich.
Trotzdem hielt ich eisern an meinem Konzept fest, nach meiner Rückkehr zusammen mit meinem Mann wieder so normal wie auch früher zu trinken. Die ersten Wochen klappte dies auch. Ich konnte und wollte auch nicht verheimlichen, dass ich wieder trank, wenn auch noch in Grenzen.
Ich bildete mir ein, dass ich mich wohl fühlte und meine Abhängigkeit durchaus im Griff hätte. Dass es Selbstbetrug war, wusste ich spätestens dann, als ich merkte, ein Glas genügt nicht um mich wohl zu fühlen.
Der Weinkonsum steigerte sich im Laufe der folgenden Jahre. Die abstinenten Abschnitte wurden immer kürzer und der Absturz folgte radikaler. Dazu kamen bittere Vorwürfe mir selbst gegenüber, über meine Willensschwäche und die offensichtliche Unfähigkeit mein Leben radikal zu ändern. Um meiner Familie das alles nicht zu zeigen, begann ich heimlich zu trinken. Wenn ich dann abends zusammen mit meinem Mann Wein trank, konnte ich meine Begierde ganz gut kaschieren, da ich ja schon tagsüber einen gewissen Spiegel erreicht hatte. Damit konnte ich meine Familie natürlich nicht täuschen. Ich stritt meinen heimlichen Konsum ab und glaubte, sehr überzeugend zu wirken. Als mein Mann mir dann beweisen konnte, wie viel Flaschen ich alleine in einer Woche getrunken hatte, musste ich mir einen neue Strategie ausdenken. Um den Schein zu wahren, holte ich mir noch 2-3 Flaschen aus unserem Vorratskeller. Was ich sonst noch brauchte besorgte ich mir direkt bei einem Winzer oder in Geschäften. Ich entwickelte ungeahnte Fähigkeiten darin, halbvolle Weinflaschen im Haus zu verstecken, oder in öffentlichen Containern zu entsorgen. Meine Scham war grenzenlos, wenn mein Mann mir eine im Haus versteckte Flasche entgegenhielt. Den Kummer, den ich ihm bereitete traf mich ganz furchtbar, aber bei allem guten Willen hielt das kontrollierte Trinken immer nur eine kurze Zeit an. Ich sah, wie ich mich selbst kaputtmachte, meinen Mann zutiefst verletzte und meine Kinder mit meiner Sucht belastete. Aber ich schaffte es noch nicht, ein klares "nein" zu Alkohol zu sagen.
Die Einsicht, dass es so nicht weitergehen konnte, kam unerwartet und gnadenlos. Am 15.02. verlor ich meinen Führerschein. Es ist glücklicherweise nichts passiert, aber dieser Schock veränderte mich total. Ich bin eine leidenschaftliche Autofahrerin und habe ein Faible für schöne und teure Sportwagen. Da die Führerscheinsperre erst Ende April 2002 abläuft, haben wir mein Auto verkauft. Die Unannehmlichkeiten, die nun auf mich zukamen waren so groß, dass ich endlich zur Vernunft kam. Ich musste alles zu Fuß erledigen. Für weitere Strecken war ich immer auf meinen Mann oder ein Taxi angewiesen. Jeden Tag merkte ich den Verlust meiner Selbständigkeit und Abhängigkeit mehr. Mir wurde unerbittlich klar, dass ich so nicht weiterleben kann und will. Endlich war ich bereit, die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Durch Herrn Dr. Müller vom Sanatorium in Bad Kissingen, der mich durch viele Aufenthalt dort sehr gut kennt und mit meinem Alkoholproblem vertraut ist, wurde ich in meiner Einsicht bestätigt, nochmals einen Klinikaufenthalt anzutreten.
Ich habe mich dann für die Dornier-Klinik entschieden, weil ich überzeugt war, dass die dort angewendete Therapie für mich richtig ist. Hier wurde ich nicht eingesperrt, sondern musste mich ständig damit auseinandersetzen, wie ich ohne Alkohol leben kann und will. Ich habe mich hier vom ersten Tag an wohlgefühlt und nie das Gefühl gehabt, dass mir seitens der Therapeuten Abwehr und eine gewisse Verachtung für meine Sucht entgegengebracht wird. Das hier angewendete Konzept für mich habe ich ohne wenn und aber für mich akzeptiert. Es war nicht leicht, sich einzugestehen, wie abhängig ich war und wie viel Zeit ich mit dem Gedanken an Alkohol verschwendet habe. Hier ist mir nun absolut klar geworden, für mich gibt es nur ein totales "nein".
Dies ist mein Ziel und das will ich erreichen. Das mir überlassene Buch "Lieber schlau als blau" ist sehr hilfreich. Es ist anschaulich und trifft auf meine Problematik im Umgang mit Alkohol zu. Auch bei mir spielte, vor allen Dingen in den letzten Jahren, das "Spiegeltrinken" eine große Rolle. Ich fühlte mich wohler, leichter und animierter, auch lästige Dinge zu erledigen, wenn ich schon einen gewissen Pegel erreicht hatte. War dies mal nicht der Fall, traten Nervosität und Unruhe auf. Meine Gedanken konzentrierten sich auf den Genuss eines Glases Wein zur Wiedererlangung meiner Arbeitskraft und Arbeitslust. Hatte ich meinen Alkoholspiegel erreicht, fühlte ich mich wohler und konnte auf Vorwürfe besser reagieren. Auch das Kapitel "Gewöhnung" und "Abhängigkeit" trifft 100%ig auf mich zu. Wie dort aufgeführt, war das Trinken bei mir über Jahrzehnte mit positiven Eindrücken und Erlebnissen verbunden, die ich auch nicht missen wollte.
Durch das intensive Beschäftigen mit meiner Abhängigkeit und das Zugeständnis, dass ich kompetente Hilfe brauche ist es mir hier mit Hilfe der Therapeutinnen gelungen, für mich persönlich einen neuen und glücklicheren Weg zu finden. Hilfreich sind die erarbeiteten Karteikarten. Erinnerungen an schöne Zeiten mit Wein, der Genuss, das Wohlgefühl.
Beim Aufschreiben und Nachdenken über die schlechten Seiten meiner Abhängigkeit, musste ich ganz schnell feststellen, wie sehr das Negative überwiegt.
Die Freuden, die mir Alkohol bereitet hat, stehen in keinem Verhältnis zu den schon eingetretenen und noch bevorstehenden, schlimmen Ereignissen und Ergebnissen. Sehr gut sind auch die Karten, die mir Anregungen geben können, wenn ich wieder Lust auf ein Glas Wein verspüren sollte. Auch das "Not – Programm" für einen Notfall wird mir helfen können. Das Eingestehen, dass es wieder passiert, ist zu akzeptieren und das Wissen, es muss nicht das Ende sein, sind eine große Stütze für mich. Vor allen Dingen das Glück in den Augen meines Mannes, sein Bestehen und seine Bereitwilligkeit mich bei der absoluten Abstinenz zu unterstützen, bedeutet mir alles. Auch die wieder sehr guten Gespräche mit meinen Kindern bestätigen mich in dem festen Willen mein Leben neu zu gestalten. Mein Mann und ich sind der festen Überzeugung, dass ich es schaffen werde. Die beste Voraussetzung dafür ist mein Eingestehen meiner Abhängigkeit und das Annehmen von Hilfe durch meine Familie und meine Therapeuten. Ich habe jetzt erfahren, wie schön ein nüchternes Leben ist und welche Möglichkeiten damit wieder für mich gegeben sind.