Ein ausgeprägtes Schlankheitsideal
Schlankheit wird gerade in unserer Gesellschaft, besonders bei jungen Frauen und Mädchen, zunehmend aber auch bei jungen Männern, gleichgesetzt mit Schönheit, Attraktivität, Kompetenz und Anerkennung. Das Bedürfnis, möglichst dünn zu sein, kann auch aus dem Vergleich mit Gleichaltrigen entstehen ("Wer ist erfolgreicher?", "Wer hält die Diät länger durch?"). Manchmal sind es auch Hänseleien über Figur und Körpergewicht, die dieses Bedürfnis erst wecken.
Wie auch immer ‒ wenn dieses Ideal, möglichst schlank und dünn zu sein, sehr wichtig wird, besteht ein hohes Risiko, das eigene Essverhalten so sehr zu ändern, dass es unausweichlich zu Mangelerscheinungen und damit zu ernsthaften Essstörungen kommt.
Bei jungen Männern ist es häufig eher das Streben nach einer besonders athletischen Figur, das in exzessives Sporttreiben münden und in der Folge in einer Essstörung gipfeln kann.
Restriktives Essen
Auch ohne ausgeprägtes Schlankheitsideal gehören Diäten und kontrolliertes Essen fast schon zum Alltag unserer modernen Gesellschaft. Kaum eine Frauen- (und seit einiger Zeit auch Männer-) Zeitschrift verzichtet auf regelmäßige Tipps zur „schlanken“ Ernährung. Diäten jedoch sind immer restriktives Essen.
Schon nach wenigen Wochen, kommt es zu erheblichen Veränderungen des Stoffwechsels und anderer körperlicher Funktionen. Das Risiko für die Entwicklung von Mangelerscheinungen und dauerhaften Essstörungen steigt schon nach kurzer Zeit rapide an.
Angst vor dem Dicksein
Sicher einer der mächtigsten Risikofaktoren. Die Angst vor dem Dicksein ist eine Art aus dem Ruder gelaufenes Schlankheitsideal. Jetzt geht es nicht mehr um ein Ideal, das angestrebt wird, sondern um Panik vor dem Dickwerden. Alles, was dick machen könnte, wird vermieden. Viele Lebensmittel werden zu „verbotenen“ Lebensmitteln.
Schon der Gedanke an bestimmte Speisen kann diese Angst auslösen. Kalorien werden zu wichtigen Zahlen, um die Angst vor dem Dicksein zu beherrschen. Und damit die Angst gar nicht erst auftritt, wird immer weniger gegessen. Auch die eigene Figur, bestimmte „kritische“ Stellen am Körper, lösen diese Angst aus. Die Folge: weiter restriktiv essen, weiter fasten, oder auch Erbrechen, Sport, Abführmittel.
Familiäre Faktoren
Sicher gibt es nicht die typische „anorektische“ Familie. Kinder aus behüteten Familien können genauso an Magersucht erkranken wie Kinder aus Familien mit vielen Konflikten. Es fällt jedoch auf, dass viele Essgestörte aus Familien der Mittel- und Oberschicht kommen, in denen Leistung und Disziplin wie auch ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl sehr wichtig sind.
Abschottung nach außen und gleichzeitig unbeschränkte Offenheit innerhalb der Familie stellt einen Risikofaktor dar, wenn das Kind wenig Möglichkeiten hat, sich als autonom zu erleben, keine Geheimnisse haben darf, sich nicht abgrenzen kann. Dann kann es dazu kommen, dass das Essverhalten für die Betroffenen die einzige Gelegenheit bietet, Selbstkontrolle, Kompetenz und Autonomie zu erleben.
Belastungen
Recht häufig entsteht eine Magersucht im Zusammenhang mit größeren Veränderungen des vertrauten Umfelds. Das kann ein Umzug in eine ganz neue Umgebung oder ein Schulwechsel sein. Typische Risikofaktoren sind auch größere Veränderungen wie ein längerer Auslandsaufenthalt oder der Studienbeginn. Auch die Scheidung der Eltern, oder der Verlust von vertrauten Personen (Tod von Freunden, Auszug von Geschwistern) können Anlass sein, die so entstehenden psychischen Belastungen durch Kontrolle des Essverhaltens wieder in den Griff zu bekommen.
Manchmal reicht allein die Ankündigung von Veränderungen, z. B. zunehmende Konflikte der Eltern mit Androhung von Trennung, um Änderungen des Essverhaltens auszulösen. Nicht selten kann dann die Magersucht eines Kindes letztlich die Familie noch zusammenhalten, weil durch die Essproblematik die anderen Konflikte in den Hintergrund treten.
Auch die Veränderungen, die durch die Pubertät entstehen, können Belastungen sein, auf die junge Menschen mit restriktivem Essen reagieren.
Anlagefaktoren
Manche Menschen sind aufgrund ihrer Anlage eher dafür empfänglich, eine Essstörung zu entwickeln. Diese „Verletzlichkeit“ kann körperlich begründet sein, aber auch in psychischen Ursachen ihre Wurzeln haben. Diese Menschen nehmen z. B. unter Stress besonders leicht oder schnell ab, oder reagieren auf Belastungen automatisch mit Appetitlosigkeit.