Lesen Sie, welche Erfahrungen Patienten in unserer Klinik gemacht haben. Vielleicht entdecken Sie Parallelen und es erleichtert Ihnen oder Ihrem Angehörigen den Schritt auf uns zu.
Weiblich, 26 Jahre, Diagnose: Binge Eating

Probleme mit meinem Essverhalten und den unbändigen Druck, dünn zu sein, hatte ich eigentlich schon seit der Pubertät.
Nachdem ich als Kind immer eher etwas zu dünn war und oftmals kaum Appetit hatte, schlug es in der Pubertät eher in die entgegengesetzte Richtung um und ich nahm rund zehn Kilogramm in relativ kurzer Zeit zu. Die negativen Reaktionen von Familie, Bekannten und Schulkameraden blieben natürlich nicht aus. Sprüche wie „Du gehst auf wie ein Hefekuchen“ zählten noch zu den eher harmloseren Äußerungen.
Bis ich 21 Jahre alt wurde, war ich zwar niemals wirklich dick, aber immer etwas kräftiger. Stets empfand ich selbst das als riesigen Makel, ich war unglaublich neidisch auf meine schlankeren Freundinnen.
Generell konnte ich es nur sehr schwer ertragen, wenn ich in puncto Aussehen, Sport und Schule nicht herausragend sein konnte. Bei allem, was ich tat, war ich äußerst ehrgeizig und perfektionistisch.
In einem Urlaub in den USA im Frühjahr 2004 fing ich dann mit einer Schlankheitskur an. Ich aß sehr restriktiv und nahm in kurzer Zeit rund fünfzehn Kilogramm ab. Ich bekam sehr viel Anerkennung und Lob für meine neue, sehr schlanke Figur und fühlte mich endlich perfekt, unschlagbar und unangreifbar. Ich wollte niemals im Leben wieder zunehmen, hatte das Gefühl, es „endlich geschafft zu haben“. Wenn Freunde meinten, dass ich zu dünn sei, tat ich das als lächerlich ab und glaubte ihnen nicht. „Dünn genug“ bzw. „zu dünn“ gab es für mich nicht.
Über zwei Jahre schaffte ich es, sehr restriktiv zu essen und mein Gewicht strengstens zu kontrollieren. Ich hatte nur sehr wenige Lebensmittel, die ich mir zu essen erlaubte und trieb zudem exzessiv Sport. Irgendwann jedoch fingen die unkontrollierbaren Essattacken an. Ich erbrach häufig, um hierdurch nicht zuzunehmen. Jedoch bekam ich schreckliche Schuldgefühle, war häufig in depressiver Stimmung und hatte schreckliche Angst, dass irgendwie alles über mir zusammenbricht. Nicht nur ich selbst, sondern auch mein Umfeld merkte immer mehr, dass ich ein großes Problem habe. Ich war extrem unkonzentriert, antriebslos und einfach nicht mehr ich selbst.
Im Winter 2007 entschied ich mich daher zu einem vierwöchigen Aufenthalt in der Christoph-Dornier-Klinik. Der Aufenthalt tat mir damals sehr gut und ich konnte einige neue Erkenntnisse mit nach Hause nehmen. Ich würde jedoch rückblickend sagen, dass ich damals innerlich einfach noch nicht bereit war, mich endgültig von der Essstörung zu verabschieden. Ich hatte große Angst vor einer Veränderung und mein Aussehen bedeutete mir nach wie vor alles. Ich bildete mir ein, durch die Essstörung die volle Kontrolle über meinen Körper zu haben.
Zuhause rutschte ich daher schnell wieder in das alte, restriktive Essverhalten und nahm in kurzer Zeit wieder schnell ab. Auch die Essanfälle kamen nun immer häufiger und in kürzeren Abständen. Schleichend, aber stetig rutschte ich immer tiefer in die Bulimie. Ich konnte mein Essverhalten kaum noch kontrollieren und nahm durch die häufigen Essattacken einiges an Gewicht zu und war nun übergewichtig! Ich bekam sehr viele negative Reaktionen von meinem Umfeld auf mein verändertes Aussehen, zumal mich die meisten nur sehr schlank kannten und nichts von meinem Problem wussten. Ich schämte mich unheimlich, ekelte mich vor mir selbst und schottete mich zunehmend von der Außenwelt ab. Dadurch wurden die Essanfälle wiederum häufiger, mir ging es immer schlechter. Immer wieder schaffte ich es zwischendurch, wieder einiges abzunehmen, aber mein Gewicht ging ständig auf und ab. Ich wechselte von Hungerphasen in extreme Ess-Brechphasen, normales Essen war mir nahezu unmöglich. Ich richtete mein ganzes Leben nach der Essstörung und schränkte mein soziales Leben immer weiter ein. Freunde treffen, verreisen, auf Partys gehen – all das ging nur, wenn ich mich und mein Gewicht gerade „im Griff“ hatte.
Nachdem es vier Jahre so ging und ich den ständigen Kampf mit mir selbst und den damit verbundenen seelischen Druck nicht mehr aushielt, entschied ich mich nach langen Überlegungen für einen erneuten Aufenthalt in der Christoph-Dornier-Klinik mit dem festen Willen, nun endlich einen neuen Anfang zu machen.
Anfangs hatte ich sehr große Angst vor dem strukturierten Essen und den regelmäßigen Mahlzeiten. Insbesondere das warme Mittagessen und die Integration von „verbotenen“ Lebensmitteln machte mir Angst. Doch mit der intensiven Unterstützung durch meine Therapeutin überwand ich mich und versuchte, das Ganze einfach als „Experiment“ anzusehen und es erst einmal auszuprobieren.
Es war zunächst schwer, das Sättigungsgefühl auszuhalten und unabhängig von allen negativen Gefühlen einfach regelmäßig zu essen. Die innere Zerissenheit war groß. Zum Einen wollte ich gesund werden und die Therapie sinnvoll nutzen, zum Anderen meldete sich immer wieder massiv die kranke Seite, die unbedingt wieder abnehmen und hungern wollte.
Aber ich dachte mir immer: "Zurück kannst Du hinterher immer noch, und schlimmer kann es wirklich nicht mehr werden."
In der intensiven Einzeltherapie bearbeiteten wir die individuellen Hintergründe der Essstörung, wie beispielsweise den Perfektionismus, die Eigenständigkeit oder das Selbstwertgefühl. Es war anstrengend, aber es war auch unheimlich effektiv und hilfreich. Ich habe neue Kenntnisse gewonnen, wie ich in Zukunft mit schwierigen Situationen umgehen kann. Das Therapiekonzept ist sehr auf Eigenverantwortlichkeit und Autonomie angelegt, was mir persönlich sehr geholfen hat. Es wird nichts angeordnet oder befohlen, vielmehr muss man sich immer selbst seine Therapieziele vor Augen führen und aus eigener Initiative tätig werden. Jedoch bekommt man hierbei intensive therapeutische Unterstützung und man hat es durch die Struktur und die geschützte Umgebung in der Klinik abseits vom gewohnten, oftmals stressigen Umfeld viel leichter.
Das außerordentlich freundliche und warmherzige Personal der Klinik, ihre zentrale Lage direkt in der Münsteraner Altstadt und der positive Kontakt mit den Mitpatienten hat darüber hinaus vieles enorm erleichtert und den Klinikalltag angenehm gestaltet. Insbesondere den Austausch mit Gleichgesinnten empfand ich als sehr entlastend und motivierend. Abgestimmt auf das jeweilige Störungsbild gibt es neben der einzeltherapeutischen Betreuung auch Gruppentherapieangebote wie beispielsweise die Kochgruppe, die Problemlösegruppe oder die Aktivierungsgruppe (Nordic Walking).
Ich habe in den 5 Wochen in der Klinik mein Essverhalten völlig stabilisieren bzw. normalisieren können und hatte von Beginn der Therapie bis heute keinen einzigen Rückfall, sprich Essanfälle oder Erbrechen. Langsam, aber stetig pendelt sich mein Gewicht wieder im Normalbereich ein. Auch von der Stimmung her geht es mir wesentlich besser und ich bin wieder viel aktiver geworden.
Ich habe das Gefühl, eine gehörige Portion Entspannung und Gelassenheit aus der Christoph-Dornier-Klinik mitgenommen zu haben. Vorher hätte ich niemals gedacht, dass ich der Therapie so viel erreichen würde. Ich bin der festen Überzeugung, mit dieser Therapie einen riesigen Schritt zu einem gesunden Leben ohne die Essstörung getan zu haben und ich will auf keinen Fall zurück. Die Therapie kostet zwar Kraft und ist anstrengend, aber es steht in keinem Verhältnis zu der Energie, die man sonst immer wieder in die Essstörung gesteckt hat.
Ich möchte mit diesem Erfahrungsbericht Betroffenen Mut machen und Euch raten, sich so früh wie möglich Hilfe zu holen. Ich wünschte, ich hätte es eher getan. Wenn man den festen Willen hat und innerlich bereit ist, kann man mit Hilfe effektiver therapeutischer Unterstützung die Krankheit besiegen. Ich persönlich bin sehr froh, mich zu dem Aufenthalt in der Christoph-Dornier-Klinik entschieden zu haben.
Weiblich, 32 Jahre, Diagnose: Bulimia nervosa

Über mich:
Mein Name ist Sabine, ich bin 32 Jahre alt und wohne im Schwarzwald. Seit 15 Jahren leide ich an Eßstörungen, erst an Magersucht und später dann an Bulimie. Schlank bzw. dünn zu sein, war all die Jahre lang mein Lebensinhalt und gleichbedeutend mit liebens- und achtenswert.
Jetzt, da ich nun, nach einer vierwöchigen Therapie in der Christoph-Dornier-Klinik in Münster, schon über zwei Monate symptomfrei lebe, möchte ich einen Erfahrungsbericht schreiben. Ich hoffe damit andere Betroffene dazu zu ermutigen, sich zu ihrer Bulimie zu bekennen und dagegen anzukämpfen.
Ich kann nur empfehlen, auch wenn jemand schon sehr lange krank ist, in eine Klinik zu gehen und eine Therapie zu machen. Denn nur so lernt man wieder leben und fühlen , etwas was durch die Eßstörung verloren gegangen ist.
Zur Vorgeschichte:
Bis zu meinem 17. Lebensjahr hatte ich eine relativ problemlose Kindheit und Jugend.
Ich wuchs mit meinem älteren Bruder und meiner jüngeren Schwester im elterlichen Hotelbetrieb auf. Da es sich um einen Familienbetrieb handelt, arbeiteten meine Eltern sehr viel. Trotzdem fühlten wir Kinder uns nicht vernachlässigt.
Im Gegenteil, wir hatten eine sehr schöne Kindheit, da wir uns sehr viel erlauben konnten. Ich spielte Klavier und Orgel, ging zur Reitstunde, spielte Tennis, war eine talentierte Leichtathletin und sang in einem Jugendchor. In der Schule hatte ich nie Probleme und überhaupt wollte ich meinen Eltern so wenig Sorgen wie möglich machen. Wenn ich Probleme hatte, versuchte ich sie alleine zu lösen.
In meinem Leben sollte möglichst alles perfekt sein. Ich wollte die Beste im Sport sein, in meiner Schulklasse und vor allem wollte ich besser als meine Geschwister sein. Mein Eltern sollten stolz auf mich sein und ich versuchte in allen Bereichen ihren hohen Ansprüchen zu entsprechen.
Mit 17 Jahren fand ich dann plötzlich meine Figur nicht mehr perfekt. Immer öfter verglich ich mich mit den Models in den Zeitschriften und fand, daß ich dicker war als sie. Ich hatte damals eine sportliche Figur und etwa 60 kg bei einer Körpergröße von 1,73m.
Ich entschloß mich also zu einer Diät, um eine "perfekte" Figur zu bekommen. Und da ich nun mal alles was ich mache, richtig mache, aß ich fast gar nichts und trieb mehrere Stunden am Tag Sport. So nahm ich innerhalb von einer Woche 5 kg ab und ich war mächtig stolz auf mich.
Krankheitsverlauf:
Von da an, hatte ich mein natürliches Eßverhalten verloren. Ich verbot mir immer mehr Lebensmittel. Ich erlaubte mir nur noch "gute", kalorienarme Nahrungsmittel und ich mied alle "bösen", kalorienreiche Nahrungsmittel.
Obwohl ich eigentlich mein Wunschgewicht längst erreicht hatte, aß ich weiterhin sehr restriktiv, so daß ich weiter abnahm. Ich begann mich ständig zu wiegen und jede Gewichtsabnahme war ein Sieg für mich. Es gab mir Bestätigung, Stärke und ich fühlte mich als etwas Besonderes. Ich konnte es nicht ertragen auch nur ein Gramm zuzunehmen. Gleichbleiben oder zunehmen bedeutete für mich Mißerfolg, Unzufriedenheit und Schuldgefühle.
Meine sportlichen Leistungen wurden schlechter und meine Menstruation blieb aus. Doch wie wichtig konnte dies schon sein, im Vergleich zu einer "perfekten" Figur.
Obwohl meine Gedanken nur ums Essen und Nicht-Essen kreisten, schaffte ich mein Abitur problemlos und begann eine Lehre als Hotelfachfrau.
Dazu zog ich von zu Hause aus und lebte von nun an in meiner eigenen Wohnung. Niemand bemerkte dort wie wenig ich aß und so nahm ich bis auf 40 kg ab. Zu dieser Zeit hatte ich auch meine ersten Heißhungerattacken. Wenn ich an meinen freien Tagen nach Hause ins elterliche Hotel fuhr und dort all die leckeren Lebensmittel sah, konnte ich mich nicht mehr beherrschen und hatte unkontrollierte Eßanfälle, wobei ich alles in mich hineinstopfte was ich mir die ganze Zeit über verbot. Und um all diese unerlaubten Kalorien wieder loszuwerden, übergab ich mich danach heimlich.
Anfangs kam dies nur sehr selten vor, später erbrach ich fast nach jeder Mahlzeit und hatte immer häufiger Eßanfälle.
Ich schämte mich fürchterlich für mein Verhalten, aber die Angst vor einer Gewichtszunahme war so groß, daß ich keinen anderen Ausweg sah.
Als ich nach meiner Lehre wieder zu Hause lebte, wurde alles noch viel schlimmer. Ich hatte oft mehrere Eßanfälle täglich und zog mich immer mehr zurück. Zu meinen Freunden und Bekannten hatte ich kaum noch Kontakt und ich verlor das Interesse an allen Dingen. Alles womit ich mich beschäftigte, war mein Gewicht und meine Figur, die eine entscheidende Bedeutung für mein Selbstwertgefühl hatte.
Der Streß und andere Belastungen durch die Arbeit im Familienbetrieb begünstigten zwar das Auftreten von Eßanfällen, trotzdem glaube ich meine Aufgaben im Berufsalltag weitgehend gut gemeistert zu haben.
Und auch mein 2-jähriger Besuch der Fachschule für Hotelbetriebswirtschaft war sehr erfolgreich. Ich schnitt als einer der besten Hotelbetriebswirte ab. Meinen Perfektionismus hatte ich trotz meiner Krankheit nicht verloren. Die Bulimie und meine Arbeit raubte alle meine Kräfte. Verständlich, daß ich für alle zwischenmenschlichen Kontakte keine Nerven und Gedanken hatte. Daran lag es wahrscheinlich, daß keine meiner Beziehungen sehr intensiv war. Ich konnte zu viel Nähe nicht ertragen und auch nur schwer meine Gefühle zeigen. Außerdem schämte ich mich wegen meiner Krankheit so sehr, daß ich mit niemandem zusammenleben wollte.
Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß jemand mich liebt, weil ich mich selbst so haßte.
Da ich zu Hause zusammen mit meinen Eltern und meiner Schwester lebte, war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand mich erwischte und erkannte, was mit mir los war.
So kam es dann und meine Mutter fing an sich über Eßstörungen zu informieren. Sie war es auch, die mich zu einer Therapie ermutigte. So machte ich in den kommenden Jahren mehrere ambulante Therapien, allerdings ohne merklichen Erfolg. Nur mein Gewicht stieg langsam wieder auf 50 kg.
Inzwischen wurde meine depressive Stimmung immer schlimmer. Ich litt unter Schuldgefühlen, Unsicherheit, Unausgeglichenheit, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Angst und starken Selbstwertproblemen.
Ich war ständig erschöpft und müde, alles fiel mir zunehmend schwerer. Es kam immer häufiger zu Heißhungeranfällen, denen ich mich hilflos ausgeliefert fühlte. Das Essen und Erbrechen stand wie eine unsichtbare Wand zwischen mir und dem Leben. Es hinderte mich daran, das Leben zu genießen, aber es war zugleich auch ein Schutz vor Problemen in anderen Lebensbereichen, die ich ignorierte, da ja das Erreichen und Erhalten einer schlanken Figur mein Lebensinhalt war.
Einerseits waren die Eßanfälle eine Art Ventil, ein Versuch, Ängste, depressive Verstimmungen, Streß und Spannung zu verarbeiten, andererseits verstärkten sich danach meine Schuldgefühle und mein mangelndes Selbstwertgefühl. Es erschien mir mit jedem Tag unmöglicher aus diesem Teufelskreis jemals wieder heraus zu kommen.
Gerade als ich mich in einem absoluten, seelischem Tief befand und keinen Sinn in meinem Leben mehr sah, lernte ich meinen jetzigen Lebensgefährten und zukünftigen Ehemann kennen. Vor ihm hatte ich von Anfang an keine Geheimnisse und er half mir wo immer er konnte. Endlich hatte ich einmal das Gefühl, daß mich jemand wirklich liebte und brauchte. So bekam mein Leben dann langsam wieder einen Sinn und meine Stimmung wurde besser. Ich entschloß dann auch, gegen meine Krankheit anzukämpfen. Ich hatte ja nun etwas, wofür es sich zu kämpfen und zu leben lohnte.
Durch meine gescheiterten Therapieversuche war ich natürlich etwas entmutigt, doch ich wußte auch, daß ich es alleine nicht schaffen würde gesund zu werden.
Nach langem Suchen, fand ich dann eine Verhaltenstherapeutin, mit der ich gut reden konnte und die mir auch einige gute Tips gab. Doch eine Stunde in der Woche war letztendlich nicht genug. Sobald ich mich wieder im Alltag befand, fiel es mir schwer, das neu erlernte Verhalten beizubehalten. Die Häufigkeit meiner Eßanfälle ging deshalb auch nur unwesentlich zurück. Insgesamt ging es mit meiner Stimmung allerdings etwas bergauf und ich lernte mein bald erreichtes Gewicht von 54 kg zu akzeptieren. Ich begann zu hoffen, meine Eßstörung vielleicht doch einmal besiegen zu können. So verging ein weiteres Jahr ohne merkliche Veränderung. Ich war zwar nicht mehr auf dem Tiefpunkt meiner "Bulimie-Karriere", doch irgendwie ging es auch nicht aufwärts.
Vor etwa einem Jahr sah dann mein Bruder einen Bericht über die Christoph-Dornier-Klinik im Fernsehen. Er war es dann auch, der zusammen mit meiner Mutter auf mich einredete, mich über diese Klinik zu informieren. Ich war anfangs skeptisch, da ich schon vor 4 Jahren Erfahrungen mit einer stationären Therapie gemacht hatte. Damals hatte ich diese nach einer Woche abgebrochen, da ich mich mit 27 Jahren nicht wie ein kleines Kind behandeln lassen wollte und ich einsah, daß das dortige Therapiekonzept, mit sehr viel Gruppentherapie und Bewegungs- und Gestaltungstherapie, mir nichts brachte.
Als ich mich dann über die Christoph-Dornier-Klinik informierte, war ich erstaunt wie logisch und einleuchtend mir deren Vorgehensweise erschien. Ich hatte das Gefühl, daß dieser Therapieplan genau richtig für mich war und mir vielleicht wirklich helfen konnte.
So füllte ich dann den Eingangsfragebogen aus und schickte ihn an die Klinik. Zwischen meinem Diagnostiktag und dem Beginn der Therapie lag fast ein halbes Jahr, da es für mich wegen unseres Hotelbetriebs zeitlich nicht früher möglich war.
So hatte ich dann auch genügend Zeit mich auf die Therapie vorzubereiten. Das war es vielleicht auch, was die Therapie, trotz meiner langen Krankengeschichte, bei mir so erfolgreich machte.Ich wußte ganz genau was auf mich zukam und ich wußte vor allem, was ich wollte. Ich wollte gesund werden und wieder normal leben.
Therapie:
In der Therapie lernte ich erst einmal wieder normal essen. Denn es bestand bei mir trotz meines ausgeprägten Wissens über Ernährung eine extreme Unsicherheit im Hinblick auf eine angemessene Häufigkeit und Menge der täglichen Nahrung. Ich mußte einsehen, daß der einzige Ausweg aus dem Teufelskreis der Bulimie, von mir viel Mut und Kraft verlangte. Denn ich mußte einen ersten Gewichtsanstieg in Kauf nehmen und eine Zeitlang eine ausreichende Nahrungsmenge essen, bis sich die körperlichen Anpassungsprozesse zurückgebildet hatten und sich mein Körper wieder an die Aufnahme normaler Nahrungsmengen angepaßt hatte. Da ich dies anhand von Kalorientabellen genau kontrollierte (2200kcal) gelang es mir auch die Nerven zu behalten und die Angst zu besiegen.
Ich wurde mit meinen "verbotenen" Lebensmitteln konfrontiert und so aß ich nach und nach alle Dinge meiner "schwarzen Liste", die ich üblicherweise meiden würde und die ich als problematisch empfand.
Ein weiterer Schritt war die Aufdeckung und Infragestellung all meiner Gedanken, Überzeugungen und Werthaltungen, die mein Eßverhalten begründeten und aufrechterhielten. Ich lernte meine Gefühle wieder wahrzunehmen und sie zum Ausdruck zu bringen.
Mein Körpergefühl verbesserte sich und damit auch mein Selbstwertgefühl. Durch Spiegelübungen und Videoaufnahmen lernte ich meinen Körper bewußt zu spüren und wahrzunehmen.
Außerdem wurden Themen behandelt, wie Streßbewältigung und Entspannung, Fordern und Ablehnen, Perfektionismus und Leistungsdruck. Alles Dinge, die ich in Zusammenhang mit meiner Bulimie brachte. Ich fand Wege und Möglichkeiten, Probleme anders zu lösen, als durch Essen und Erbrechen.
Im Verlauf der Therapie veränderte ich nicht nur mein Eßverhalten, sondern auch mein Wahrnehmungs-, Denk- und Beurteilungsmuster.
Der stationäre Klinikaufenthalt, war eine Chance für mich, eine Zeitlang aus den täglichen festgefahrenen Ritualen herauszukommen und so mein schädliches Verhalten zu unterbrechen. Verständlich daher auch meine Angst nach dem Klinikaufenthalt und dem dort erlernten Verhalten und angeregten Veränderungen, nach vier Wochen wieder in den Alltag zurückzukehren. Ich war mir nicht sicher, ob ich dort mein neues Verhalten beibehalten konnte, oder ob ich durch die gewohnte Umgebung und die alten Probleme wieder in die Bulimie zurückfallen würde.
So entschlossen meine Therapeutin und ich, daß ich das letzte Wochenende zu Hause verbrachte und ich dann noch eine Woche hatte, um über die dort aufgetretenen Schwierigkeiten zu reden. Da dieses Testwochenende für mich sehr erfolgreich verlief und ich das Gefühl hatte, auch zu Hause nun normal und ohne Eßanfälle leben zu können, fuhr ich dann nach vierwöchiger Therapie mit sehr viel weniger Angst und mit großer Hoffnung auf eine gesunde und glückliche Zukunft nach Hause.
Nach dem Klinikaufenthalt:
In den nächsten sechs Wochen telefonierte ich noch wöchentlich mit meiner Therapeutin, so daß ich über derzeitige Probleme und Schwierigkeiten sprechen konnte. Das war anfangs im Berufsalltag sehr wichtig für mich.
Jetzt nach über zwei Monaten lebe ich immer noch "symptomfrei" und mein neu erlerntes, "normales" Eßverhalten wird für mich immer leichter und gewohnter.
Natürlich habe ich mit dem Kalorienzählen noch nicht ganz aufgehört, aber ich merke, daß es immer unwichtiger wird, genau wie mein Gewicht, das sich so langsam bei 60kg einpendelt.
Ich habe das Gefühl nun endlich zu leben und meine Energie und Zeit gebrauche ich jetzt für wichtigere Dinge, als damit, gegen die Bulimie anzukämpfen oder die Symptome der Bulimie auszuleben und hinterher wieder "ungeschehen" zu machen.
Das Essen macht mir endlich wieder Spaß und ich kann es genießen. Ich versuche es, als das anzusehen, was es im Grunde auch ist, eine Handlung, die das Leben bejaht und nicht ein Mittel zur Selbstzerstörung.
Ich weiß, das der Weg zur endgültigen Heilung sehr lange ist, aber er ist auch aufregend und spannend. Und ich weiß nun, daß es sich lohnt, das Überessen und Hungern gegen das Leben einzutauschen. Mit viel Kraft und starkem Willen kann man sich aus dem selbst geschaffenen Gefängnis der Eßstörung befreien.
Danksagung:
Auf meinem Weg aus der Bulimie haben mich einige Personen auf ganz unterschiedliche Weise unterstützt. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken!
Bei meiner Mutter, die nie aufgehört hat an mich zu glauben und mich dazu zu ermutigen, Hilfe durch eine Therapie zu suchen und bei meinem Freund, der mir neuen Lebensmut und –freude gab, mir nie Vorwürfe und Schuldgefühle machte und immer für mich da war.
Großen Dank natürlich allen Mitarbeitern der Christoph-Dornier-Klinik, die mir den Aufenthalt so leicht und angenehm gemacht haben und ganz besonders meiner dortigen Therapeutin, die mir half mein Leben in eine neue Richtung zu lenken, so daß ich wieder mit Freude und ohne Angst essen kann. Ich konnte ihr vertrauen und sie hat mich auf dem schwierigsten Teil des Weges zur Heilung begleitet und mir beigestanden.
Zum Schluß noch ein Appell an die Krankenkassen!
Da keine Versorgungsverträge zwischen der Christoph-Dornier-Klinik und den Kostenträgern der gesetzlichen Gesundheitsfürsorge existieren, besteht kein Rechtsanspruch auf die Übernahme der Behandlungskosten. Trotzdem hoffe ich, daß es vielen Betroffenen ermöglicht wird, eine Therapie in der Christoph-Dornier-Klinik zu machen, da ich der Meinung bin, dies ist ein Therapiekonzept, daß vielen Bulimikern helfen kann, auch wenn andere Therapieversuche vergeblich waren, so wie bei mir. Mir war es zum Dank finanziell möglich, die Therapie zu machen, obwohl mir die Krankenkasse nur einen kleinen Teil der Behandlungskosten zurückerstattet hat, doch bei vielen Betroffenen ist dies sicherlich nicht möglich. Deshalb meine Bitte an die Mitarbeiter der Krankenkassen, es den Patienten nicht so schwer zu machen, im Kampf um eine Therapie in der Christoph-Dornier-Klinik.
Denn dies ist sicherlich für viele eine echte Chance gesund zu werden!
Weiblich, 20 Jahre, Diagnose: Bulimia Nervosa

Meine Geschichte fängt etwa im Herbst 2002 an. Meine Erinnerung ist ein bisschen verwischt, aber ich weiß noch, wie ich anfing, restriktiv zu essen.
Ich weiß nicht genau, warum mir der Gedanke kam, abnehmen zu müssen. Ehrgeizig war ich schon immer, stets Klassenbeste. Nach der Einstufung in den Gymnasialzweig wurde die Konkurrenz härter. Nach einiger Zeit in der neuen Klasse litt ich unter einem großen Mobbingproblem. Ich hatte für ein paar Wochen keinerlei Rückhalt in meiner Klasse, und auch später gab es noch häufig Spannungen, die ganze Mittelstufenzeit lang.
Freunde fand ich zwar auch schnell wieder, aber dennoch blieb ich sehr unsicher und ängstlich. Zudem wollte ich auch so schön sein, wie meine beiden großen Schwestern, die ich sehr liebe und immer sehr bewundert habe. Ich versuchte, ihr Gewicht herauszukriegen, um weniger wiegen zu können. Zunächst klappte es auch ganz gut. Ich machte mir einen Kalorienplan von 1000 pro Tag, dazu ging ich laufen oder tanzte und machte Übungen wie Sit-ups etc..
Ich nahm von ca. 58 Kg auf 52,5 ab. Das war noch kein Untergewicht, aber weil ich so schnell abgenommen hatte, blieb meine Periode aus. Irgendwann fing ich auch an zu erbrechen. Wenn es in Freundschaften kriselte (was in der Pubertät ja öfter vorkommt), redete ich mir ein, es läge an meinem Aussehen. Aber auch meinen Charakter begann ich immer weniger zu mögen, ich hielt mich schlicht für unliebenswert. Nur in der Familie fühlte ich mich wirklich ganz geborgen, dafür bin ich dankbar.
Schwierig war es aber, dass 2003 dann meine Schwester auszog, und ich allein mit meiner Mutter blieb. Ich aß weiterhin restriktiv, und begann mich auch zu übergeben, wenn ich der Meinung war, dass ich zuviel gegessen hätte, was schon bei kleinen Mengen der Fall war. Ich nahm nicht mehr viel ab, aber dennoch bemerkte es eine Freundin, die mich auch darauf ansprach und drohte, meine Mutter einzuweihen. Ich weiß nicht, ob es vor oder nach diesem Vorfall gewesen ist, jedenfalls hatte meine Mutter schon einmal Spuren von meinem Erbrechen bemerkt. Aus Angst, zur Belastung zu werden, verschwieg ich aber die Dauerhaftigkeit meines Verhaltens und schaffte es auch, es wieder zu ändern.
Bis 2005 aß ich auf einmal wieder normal. Im Frühjahr 2005 ging ich dann (mit 16 Jahren) für 2 Monate nach Frankreich. Dort kam ich mit den anderen Essgewohnheiten nicht klar. Zwischenmahlzeiten schienen dort unbekannt zu sein und ich begann, wenn ich gegen 19 Uhr Hunger bekam, Süßigkeiten zu essen. Abendessen (warm) gab es aber gegen 21 Uhr, sodass ich Angst bekam, zunahm und davor Angst entwickelte.
Nach dem Frankreichaufenthalt war ich für 2 ½ Monate wieder zu Hause, dann folgte ein viermonatiger Aufenthalt in England. Dort eskalierte die Situation. Ich hatte wahnsinnige Angst vor dem fettigen Essen. Da ich bis 16 Uhr in der Schule war, konnte ich in dieser Zeit wenig essen, ohne dass jemand es bemerkte. Beim familiären Abendessen hielt ich mich auch zurück, außerdem begann ich wieder, viel Sport zu treiben und nahm von ca. 64 auf 57 Kg ab. In diese Zeit fielen auch die ersten Essanfälle. Wenn meine Gasteltern nicht da waren, aß ich all die unbekannten Süßigkeiten, Toast und Cornflakes, alles, was ich mir sonst verbot und erbrach später alles. Zurück in Deutschland kam wieder eine Phase der Ruhe, in der ich auch meinen Freund kennen lernte. Dennoch ging es ab dem Sommer 2006 wieder weiter.
Im Frühjahr 2007 entschloss ich mich, meinen Angehörigen von meinem Essverhalten zu erzählen. Erst dann realisierte ich langsam, dass ich allein keinen Weg aus der Bulimie finden würde. Denn ich hatte versucht, mich normal zu ernähren, aber ich wusste gar nicht mehr, was normal ist. Ein Hunger- und Sättigungsgefühl, auf das ich mich hätte verlassen können, war auch nicht mehr vorhanden. Trotzdem hatte ich selbst in dieser Zeit mehr Angst davor, durch die Bulimie die typischen „Hamsterbäckchen“ zu bekommen, als vor allen anderen Folgen. Im Herbst begann ich eine ambulante Therapie, die ich aber schnell wieder abbrach. Ich fühlte mich von der Therapeutin nicht ernst genommen und hatte das Gefühl, mit einer Standardgesprächstherapie abgefertigt zu werden. Nach diesem Misserfolg beschloss ich, nach meinem Abitur eine stationäre Therapie zu beginnen. Ich danke meinem Arzt, dass er mir die Christoph-Dornier-Klinik angeraten hat. Erst zwei Wochen, bevor die Therapie begann, informierte ich meine engsten Freunde über meine Krankheit. Einige hatten schon etwas geahnt.
Die Therapie überraschte mich über alle Maßen. Das Konzept, weniger tiefenpsychologisch als verhaltenstherapeutisch vorzugehen, passte hervorragend zu mir, da mein Hauptziel ja die Symptombekämpfung war.
Tatsächlich gelang es mir schnell, nicht mehr zu erbrechen. Durch einen Essplan, der auf mich abgestimmt war, lernte ich, dass regelmäßiges Essen nicht dick macht und durch Einzelübungen, bei denen ich mehr als meinen eigentlichen Kalorienbedarf essen musste, erkannte ich, dass auch ein paar Kalorien mehr nicht sofort Spuren hinterlassen. Meine Angst wurde geringer.
Es war trotzdem nicht leicht. Das kann man nicht sagen. Aber ich merkte, wie ich begann, mich besser zu fühlen.
Und die Nähe der Klinik zur Stadt, der lockere Kontakt mit den anderen Patienten ließen mir ein Stück Alltag und Entspannung. Münster ist im Sommer sehr schön. Außerdem konnte ich lernen, mein Essen selbst einzuteilen, und mich wieder für KiBa zu entscheiden, der mir besser schmeckt, statt Cola light zu trinken. Der Übergang ins normale Leben war nicht ganz leicht, zumal bei mir noch der Umzug in eine andere Stadt und in das Studentenleben anstand. Aber die Telefongespräche in der Zeit danach halfen mir, ebenso wie meine Unterlagen, z.B. die Ziele, die ich mit meiner Therapeutin formuliert hatte.
Heute bin ich noch immer überrascht, wie vier Wochen mein Leben verändern konnten. Ich bin seit 8 Monaten symptomfrei.
Ich kann Süßes essen und sahnige Cocktails trinken, ohne zu erbrechen. Ich weiß noch immer die Kalorien der meisten Lebensmittel, und ich werde sie wohl auch nicht vergessen. Aber ich zähle sie nicht mehr. Ein Stück Bulimie ist immer noch da, wenn ich laufen gehe und auf die Zeit achte beispielsweise, aber ich sage keine Verabredungen aus Angst vorm Essen ab, oder weil ich gerade in einem Essanfall stecke. Ich erbreche nicht mehr. Vielen Dank dafür.
Und ich würde gern jeden ermutigen, zu sich zu stehen. Denn ich war erst im Zweifel, ob ich eine Therapie überhaupt verdient hätte. Eine Frage meiner Therapeutin half mir, die Antwort darauf zu finden: „Wie oft haben Sie im Allgemeinen erbrochen?“ „Einmal pro Tag.“ „Ist das gesund?“